2019

Die Kampagne der Wirtschaftskammer Wien für den „Inlandskauf“

Wien, 26. 12. 2019

Seit geraumer Zeit erklärt die Wirtschaftskammer Wien den Österreichern, dass sie ihren Mitbürgern schaden würden, wenn sie über das Internet im Ausland einkaufen: „‚Wenn Sie bei mir einkaufen, finanzieren Sie keinem amerikanischen Online-Boss eine zweite Luxusyacht oder einen Privatjet, sondern meiner Tochter die Nachhilfestunde, meinem Enkerl das Weihnachtsgeschenk und meinen Mitarbeitern das Gehalt‘, sagen Wiener Unternehmer des stationären Handels in einem Video, das Weihnachten zum Anlass nimmt, um die Bedeutung des Einkaufens am Standort hervorzustreichen.“[1] Die ganze Gemeinschaft wäre gefährdet, wenn man nicht das heimische Geschäft unterstützen würde, denn wenn das Geld nicht im Land bleibe, können nicht finanziert werden, was dringend benötigt werde: „Das Geld bleibt im Land, wir zahlen unsere Steuern hier. Damit finanzieren wir gemeinsam unsere Kindergärten, unsere Öffis, unsere Krankenhäuser und alles, was wir an unserer Stadt so lieben.“[2] In diesem Zusammenhang ist auch die Klage darüber zu vernehmen, dass auf diese Weise 30.000 Arbeitsplätze im Ausland finanziert würden.[3]

Kaum machen durchschnittliche Bürger also von den vielgepriesenen Vorteilen der Globalisierung Gebrauch, ist es auch schon wieder nicht recht. Kapitalistische Unternehmen, die Produktionsstätten ins Ausland verlagern, weil sie den günstigen Preisen zur Benutzung der dort ansässigen Arbeiter einfach nicht wiederstehen können, beklagen dasselbe Verhalten bei den Konsumenten. Diese achten ja nur auf ihren Konsum, während sie sich um ihren Profit kümmern müssen! Wer hier den Abfluss von Steuereinnahmen beklagt und das Kapital als „vaterlandslosen Gesellen“ verachtet, der wird als Nationalist beschimpft und nicht für seinen „Weitblick“ oder sein „Verantwortungsbewusstsein“ gelobt. Hier gilt auch nicht, dass man sich eben mehr anstrengen muss, um Käufer zurückzugewinnen. Nein, Anstrengungen, um ihre Leistungen besser verkaufen zu können, stellen offensichtlich das Privileg jener Bürger dar, die von Lohnarbeit leben müssen!

Interessanterweise will auch niemand Ausländerfeindlichkeit entdecken, wenn der Nutzen beklagt wird, den man dem Ausland nicht vergönnt ist und ihm wieder zu entziehen versucht. Auch Ausländerfeindlichkeit stellt demnach nur bei jenen einen Skandal dar, denen dieses Verhalten offensichtlich nicht zusteht. Wer sich über die vermehrte Konkurrenz beklagt, ist also immer dann ein unerträglicher Nationalist und Rassist, wenn von der Konkurrenz um Arbeitsplätze die Rede ist. Beim Kapital gilt diese Klage als berechtigt, denn die armen Unternehmer haben es ja so schwer in ihrem Bemühen, den Staat mit den notwendigen Steuereinnahmen zu versorgen, dass die Wirtschaftskammer sie bereits zu „Helden“ erklärt hat. Schön, dass die „Helden der Arbeit“ in der ehemaligen Sowjetunion, über die sich lustig zu machen bürgerliche Menschen gar nicht genug kriegen können, nun doch wieder gefragt sind, wenn sie zu „Helden der Wirtschaft“ mutiert sind.

Wer sich von dieser Kampagne der Wirtschaftskammer ein schlechtes Gewissen beim Online-Kauf aufschwatzen lässt, dem ist wahrlich nicht mehr zu helfen!


[1] https://news.wko.at/news/wien/Kampagne-fuer-den-Handel-geht-viral.html, aufgerufen am 26. 12. 2019

[2] Ebenda

[3] https://mobil.krone.at/kmm__1/app__CORE/2063862, aufgerufen am 26. 12. 2019

Andreas Salcher – ein Bildungsexperte?

Wien, 18. 11. 2019

Bereits vor einigen Jahren erhob Andreas Salcher den Anspruch, ein Bildungsexperte zu sein, indem er das Buch „Der talentierte Schüler und seine Feinde“ verfasste. Ich habe dieses Buch damals gelesen und meine Begeisterung hielt sich in deutlich überschaubaren Grenzen. Sucht man bei Google unter dem Stichwort „Bildungsexperte Salcher“ nach Beiträgen, so findet sich unter den ersten Angaben ein Interview im „Kurier“ vom 28. 11. 2017, worin er über Bildungsstandards schwatzt und sich in Phantasien über leistungsgerechte Bezahlung für Lehrer ergeht.[1] Nun weiß ich natürlich nicht, ob Herr Salcher Kinder und dank dieser Einblick in den Schulalltag hat. Auch ist mir nicht bekannt, ob er persönlichen Umgang mit Lehrern pflegt. Aus den mir bekannten Stellungnahmen Herrn Salchers zur Schule vermag ich jedenfalls nicht auf nähere Kenntnisse zu schließen. Vielleicht betrachtet er diese ja sogar als Befangenheit, die ein objektives Urteil verhindern würde.

Hat man als Vater mit der Schule zu tun, so stößt man auf genügend konkrete Ärgernisse, die sich keineswegs mit der ideologischen Phrase erledigen lassen, dass es den Lehrern an finanziellen Anreizen für „guten“ Unterricht fehlen würde. Eine Sache, die mir hier bereits seit mindestens zwei Jahren auffällt, betrifft den Unterricht von Fremdsprachen. So ist es z. B. in Latein üblich, ein konjugiertes Verb[2] in einer bestimmten Zeit vorzugeben, etwa „dicit“ (er sagt), welches das Verb „dicere“ in der 3. Person Präsens im Singular darstellt. Zu diesem Verb sind dann die übrigen Zeiten zu ergänzen, die bisher „gelernt“ – vielmehr wegen Zeitmangel nur kurz vorgestellt – worden sind. Man muss dann Futur, Imperfekt, Perfekt und Plusquamperfekt richtig ergänzen, in diesem Beispiel würde das so aussehen: dicet – dicebat – dixit – dixerat. Hat man hier auch nur einen Buchstaben falsch, also vielleicht „dixeras“ anstatt „dixerat“, so erhält man für diese Aufgabe sage und schreibe genau null Punkte, also genauso viele wie dann, wenn man gar nichts hingeschrieben hätte. Genauso ist es, wenn die Angabe der Stammformen verlangt wäre, die so lautet: dico, dicis, dicere, dixi, dictum. Würde man hier vielleicht „dici“ statt „dixi“ schreiben, so wäre der Ertrag ebenso kein einziger Punkt, obwohl alles andere richtig wäre.

Ich weiß ja nicht, wem das eingefallen ist, aber eines weiß ich gewiss: Wenn man Schülern jedes Erfolgserlebnis und jede Freude am Lernen nehmen, wenn man sie frustrieren will, so hat man damit das perfekte Werkzeug dafür geschaffen! Herzliche Gratulation, wem auch immer dieses Verfahren zu verdanken ist! Dieses höchst perverse Vorgehen scheint jüngeren Datums zu sein, da mein älterer Sohn damit nicht behelligt worden ist. Nachdem nicht nur in Latein, sondern auch in Französisch dieses Verfahren zum Einsatz kommt, liegt die Vermutung nahe, dass die Lehrer hier Vorgaben des Bildungsministeriums folgen, das diese möglicherweise vom berüchtigten Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung übernommen hat. Dieses BIFIE hat seine „Kompetenzen“ ja bereits bei der Ausarbeitung der Zentralmatura „eindrucksvoll“ unter Beweis gestellt, deren Zwecksetzung den „Verrat der Intellektuellen“ vollendet, den Julien Benda zwischen den beiden Weltkriegen angeprangert hat. Das Einzige, was ich Lehrern hier vorwerfen könnte, ist der Umstand, dass sie sich diesem Verfahren anscheinend widerstandlos unterwerfen, obwohl dessen Unsinnigkeit offensichtlich ist. Ob sie sich dessen eher annehmen würden, wenn sie dafür finanziell belohnt würden, bezweifle ich stark. Da befürchte ich eher einen Schwall von Großtuerei und Angeberei, der Blendern Tür und Tor öffnet.

Von den verschiedenen Bedingungen, denen Lehrer in verschiedenen Schulen ausgesetzt sind, scheint Herr Salcher auch nicht die geringste Ahnung zu haben. Vielleicht zeichnet ja Ahnungslosigkeit einen „Experten“ aus. Wenn ich etwa an eine bestimmte Lehrerin meines älteren Sohnes zurückdenke, so weiß ich ganz genau, dass diese in einer anderen Schule untergegangen wäre, während in dieser Schule ihre mangelnden Fähigkeiten ohne Auswirkungen blieben. Dies hatte seine Ursache darin, dass die Kinder dieser Schule aus Familien kommen, deren Eltern alles andere als „bildungsfern“ sind, sondern eher das Gegenteil hierzu darstellen und als „Bildungsjunkies“ bezeichnet werden könnten. Vielleicht hat Herr Salcher zumindest Gerüchte über Lehrer gehört, denen ihr Beruf eine lästige Pflicht ist und die lieber wissenschaftlich arbeiten, anstatt sich ordentlich auf ihren Unterricht vorzubereiten. Über diese Lehrer wird gemunkelt, dass sie eine Standardvorbereitung jahrelang unverändert verwenden, um ihre Zeit nicht mit Unterrichtsvorbereitungen zu vergeuden. Darüber hinaus würden sie sich durch eine so schwache Gesundheit auszeichnen, dass einem angst und bange werden könnte, ob hier nicht demnächst ein Partezettel ins Haus flattern müsste. Falls Herr Salcher an solche Lehrer denkt, weiß ich allerdings sicher, dass er ihre Leistungsfähigkeit nicht dadurch erkennen wird, dass er sie an den Erfolgen ihrer Schüler misst. Damit würden nicht gute und schlechte Lehrer ihrer Leistung entsprechend bezahlt werden, sondern man würde jene belohnen, die es ohnehin leichter im Unterricht haben, weil sie über entsprechende Schüler verfügen, während jene bestraft würden, die es ohnehin schwerer haben. Auch desinteressierte Lehrer würden belohnt werden, solange sie sich ganz hervorragend in Schulen verstecken können, deren Schüler ausgesprochen lernwillig sowie leistungsbereit und daher nicht auf die Bemühungen ihrer Lehrer angewiesen sind. Diese Lehrer haben dann vielleicht weniger Maturanten, aber das ist ihnen nur recht, da eine Matura viel Arbeit für wenig Geld bedeutet. Und ich glaube nicht, dass Herr Salcher mit finanziellen Anreizen meint, der Staat solle mehr Geld für die Matura zahlen, nachdem dieser in den letzten Jahren erfolgreich in seinen Bemühungen gewesen ist, seinen Finanzaufwand in diesem Bereich zu senken.

Da wir schon von viel Arbeit für wenig Geld sprechen: Vorzügliche Resultate wurden hier auch im Bereich der sogenannten vorwissenschaftlichen Arbeit erzielt. Die Entlohnung hierfür spricht wirklich allem Hohn, was ich als Lektor bereits erlebt habe, und das ist bereits ein sehr niedriger Maßstab. Nebenbei bemerkt ist auch der Begriff der „vorwissenschaftlichen Arbeit“ eine Absurdität, denn so etwas gibt es gar nicht. Eine Arbeit ist entweder wissenschaftlich oder unwissenschaftlich. Einen solchen widersinnigen Begriff zu bilden, ist wahrlich Ausdruck einer Bildungskatastrophe. Meinetwegen könnte man von einer Einführung in wissenschaftliches Arbeiten oder von einer wissenschaftlichen Übung sprechen, das ist aber auch schon alles. Da wie gesagt die Bezahlung hierfür in keinerlei Verhältnis zum Arbeitsaufwand des Lehrers steht, profitieren auch hier jene Lehrer, bei denen kein Schüler zur Matura antreten will, denn diese werden auch als Betreuer ihrer „vorwissenschaftlichen“ Arbeit gemieden. Auch hier bin ich mir sicher, dass Herr Salcher nicht für eine angemessene Vergütung dieses Arbeitsaufwandes eintritt. Ihm schwebt wohl eher eine Gehaltskürzung für jene Lehrer vor, um die jeder Schüler einen Bogen macht. Das würde dann noch mehr Arbeit für die anderen Lehrer bedeuten, denn nun hätten die offiziell zum zweitklassigen Lehrer erklärten Kollegen auch noch einen Rechtstitel auf Arbeitsvermeidung. Damit erreicht Salcher zwar nicht eine Verbesserung des Schulsystems, von der er behauptet, dass sie ihm ein Anliegen sei, aber der Staat wird diesen „Anreiz“ zu weiteren Einsparungen seiner Bildungsausgaben schon zu schätzen wissen … So wird man eben zum „Bildungsexperten“!


[1] Bernhard Gaul, Raffaela Lindorfer: Bildungsexperte Salcher: „Lehrer nach Leistung bezahlen“, in: https://kurier.at/politik/inland/bildungsexperte-salcher-lehrer-nach-leistung-bezahlen/299.972.248; aufgerufen a, 18. 11. 2019

[2] Interessant ist es auch, dass zwar jeder Sprachlehrer von der Konjugation des Verbs spricht, man es aber anscheinend nicht für notwendig hält, diesen Begriff zu erklären. „Konjugation“ heißt „Verbindung“ und die Konjugation des Verbes gibt entsprechend dieser Bezeichnung die verschiedenen Verbindungen an, die ein Verb in einem Satz bilden kann.

Julien Benda: Der Verrat der Intellektuellen

Bemerkenswerte Einsichten zum Zusammenhang von Nationalismus und Demokratie

Wien, 8. 11. 2019

Julien Bendas Untersuchung der Veränderungen in der Haltung der Intellektuellen entstand zwischen den beiden Weltkriegen. Als Verrat der Intellektuellen gilt ihm deren Abkehr von einer Wissenschaft, die allein der theoretischen Neugier folgt, ohne nach deren praktischem Nutzen zu streben. Diese Haltung habe früher bewirkt, dass die Intellektuellen sich von den politischen Auseinandersetzungen fernhielten oder den herrschenden Verhältnissen widersprachen, während sie nun diesen dienen würden. Zu dieser Veränderung habe auch beigetragen, dass Intellektuelle es sich nicht mehr leisten könnten, auf eine bürgerliche Karriere zu verzichten, dass die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft also auch sie erreicht hatte. In der Renaissance dagegen sahen sich Intellektuelle als Mitglieder einer Weltrepublik der Gelehrten, da sie auch keine Veranlassung gehabt hätten, die Ansprüche einer Nation zu adeln, nachdem Nationen erst ansatzweise herausgebildet waren.

Man könnte sich natürlich auch fragen, ob die bis zu diesem vermeintlichen Verrat geltende Hingabe an die Ideale der Wissenschaft nicht bloß eine Heuchelei oder einen Selbstbetrug darstellte, womit nun Schluss gemacht wurde. Die unmittelbare Affirmation der politischen Herrschaft, in der Benda den Verrat der Intellektuellen erblickt, ist den früheren Standesgenossen allerdings wirklich nicht vorzuwerfen. In seiner Kritik der nationalen Ergebenheit seiner intellektuellen Zeitgenossen gelangt Benda darüber hinaus zu Einsichten, die es angesichts gegenwärtiger Zeugnisse fundamentaler Unbildung verdienen, wieder ins Gedächtnis gerufen zu werden. So weist er auf eine Unverschämtheit hin, die heutzutage unter Journalisten aller politischen Lager weit verbreitet ist, wenn man etwa an deren Haltung gegenüber sogenannten politischen „Störenfrieden“ wie Russland oder China denkt. Die von ihm mit dem französischen Begriff „Clercs“ bezeichneten Intellektuellen seiner Zeit beherrschten diese Unart ebenso und behaupteten, „die Kleinen müßten zwangsläufig die Beute der Großen werden, das sei das Gesetz dieser Welt, und wer die Kleinen auffordert, sich ihm zu widersetzen, der sei der wahre Störer des Friedens“.[1] Wie Benda treffend bemerkt, müsste man dann auch der Auffassung sein, „daß die Alliierten die wahren Verantwortlichen des Ersten Weltkriegs waren, weil sie es 1914 nicht verstanden hatten, Serbien davon zu überzeugen, daß es seine Pflicht war, sich von Österreich verschlucken zu lassen“.[2] Heutzutage vertreten die Medien diesen Standpunkt vor allem gegen Russland, aber auch gegen kleinere Staaten wie Venezuela, das von den USA für die Anmaßung bestraft wird, deren Weltordnung für eine Politik zu benutzen, deren Zweck sich nicht darin erschöpft, den Interessen der USA zu dienen.

Auch eine andere Dummheit kritisiert Benda, die vor allem Linke in ihrer widersinnigen, weil der Kritik des Nationalismus widersprechenden Begeisterung für nationale Befreiungsbewegungen betrifft. So wendet er sich gegen jene, die meinen, „es scheine ihnen wenig gerecht, einem jungen Staate Beutezüge verbieten zu wollen, die seine Vorgänger fett gemacht haben. Als ob es nicht darauf ankäme, mit diesen Urwaldsitten Schluß zu machen, die bis auf den heutigen Tag das zwischenstaatliche Leben bestimmen.“[3] Heutzutage geht dies ja so weit, dass es die Forderung gibt, man müsse Palästinensern die Leugnung des Holocaust gestatten, weil dies ein Ausdruck ihres Widerstandes gegen den Herrschaftsanspruch Israels sei. Ich zitiere hierzu aus meinem Buch über den an allen Orten blühenden Hass: „Den Vogel hat hier Gilbert Achcar abgeschossen, der zwar selbst nicht den Holocaust leugnet, diese Leugnung aber den Arabern gestatten will. Hier seine atemberaubende Begründung: ‚Sollte man nicht zwischen einer Leugnung, die von Unterdrückern kommt, und einer Leugnung aus den Mündern der Unterdrückten einen Unterschied machen, so wie der Rassismus der herrschenden Weißen vom Rassismus der unterdrückten Schwarzen zu unterscheiden ist?‘“[4] Es gebe demnach wohl so etwas wie revolutionären Rassismus und Imperialismus. Weniger vom Verrat, als vom geistigen Verfall der Intellektuellen müsste man angesichts solcher Tatsachen sprechen.

Der Hass zwischen Nationen ist laut Benda eine neuere Entwicklung. Während in früheren Zeiten auch bei langen Kriegen nationalistischer Hass kaum eine Rolle gespielt habe, genüge es nun, „allmorgendlich eine beliebige Zeitung aufzuschlagen, um festzustellen, daß die politischen Haßgefühle keinen Tag ruhen“.[5] Dies sei durch die „Kondensierung der politischen Leidenschaften zu wenigen, sehr schablonisierten Haßgefühlen“[6] zu erklären, die auf der Veränderung der Einstellung des einfachen Volkes zur Nation beruhen: „Bestand das Nationalgefühl früher, als es noch fast ausschließlich von Königen und Ministern empfunden wurde, hauptsächlich in der Wahrung bestimmter Interessen (Befriedigung territorialer Gelüste, Suche nach kommerziellen Vorteilen und gewinnbringenden Allianzen), so besteht es heute, da es (zumindest kontinuierlich) im Volk empfunden wird, zum größten Teil in der Bekundung eines Stolzes.“[7] Noch der Großteil des 19. Jahrhunderts war z. B. in der Steiermark „geprägt vom Honoratiorencharakter der Politik; das Interesse an ihr und das Engagement für sie blieb einer kleinen Elite gebildeter, wohlhabender Bürger vorbehalten“.[8] Den Volksmassen war die Nation gleichgültig, man war sich dessen bewusst, dass die herrschenden Gewalten nicht zum allgemeinen Nutzen eingerichtet waren. Die Leute leisteten zwar ihre Abgaben für die Obrigkeit, jedoch nicht in dem Glauben, dass diese letztlich dem allgemeinen Wohl dienen, also ihnen wieder zugutekommen würden. Auch für militärische Belange ließen sich die sogenannten „kleinen Leute“ einspannen, sei es durch Zwang oder als Söldner, es gab aber keinen nationalistischen Hass auf den Gegner, der auch nicht als Repräsentant einer verachtenswerten Kultur galt.

Mit der Idee der Demokratie ist das Bewusstsein über den Gegensatz von Obrigkeit und Untertan verloren gegangen, zumal die Demokratie ja auch den Anspruch erhebt, diesen Gegensatz zu beseitigen. Nun meinen auch Menschen einen Nutzen aus der Vormachtstellung ihrer nationalen Herrscher zu haben, bei welchen man diesen genauso wenig zu erblicken vermag wie zu jenen Zeiten, als es hierzu keine Illusionen gab. Dieses Interesse an der politischen Herrschaft hat auch damit zu tun, dass im Kapitalismus deren Entscheidungen unmittelbare Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben. Im Feudalismus hatte es kaum Folgen für das Leben der Bauern, was die Herrschaft mit den Erträgen, die sie abzuliefern hatten, machte. Wenn überhaupt, so waren die Auswirkungen des herrschaftlichen Handelns für die Bauern negativ, wenn etwa Kriege oder Kriegsniederlagen dazu führten, dass sie mehr Güter an die Herrschaft liefern mussten, auch wenn sie dabei zu verhungern drohten. Davon abgesehen, war die Lebenserhaltung der Bauern jedoch nicht grundsätzlich in Frage gestellt, sofern ihre Herrschaft sich auf keine politischen Abenteuer einließ, begnügte sie sich mit dem Konsum dieser Überschüsse und musste sich nicht gegen konkurrierende Landesherrn auf einem Markt behaupten. Die Realität eines kapitalistischen Lohnarbeiters sieht hier ganz anders aus. Dessen Existenz ist abhängig davon, dass das Kapital erfolgreich ist, das seine Dienste in Anspruch nimmt, und selbst dieser Erfolg ist keine Garantie dafür, dass er weiterhin verwendet und bezahlt wird. Da der Erfolg des Kapitals auch von den Maßnahmen des Staates abhängt und der Staat zudem die damit einhergehende Armut verwaltet, interessieren sich nun auch die „kleinen Leute“ für die politische Gestaltung. Dass ihr Nutzen dabei immer von untergeordneter Bedeutung sein wird, bleibt manchen auch nicht verborgen. Diese werden dann als „politikverdrossen“ bezeichnet, andere versteigen sich nur noch mehr in Wahnvorstellungen darüber, wie sie „ihrer“ Nation zum Erfolg verhelfen könnten. Es lässt sich also festhalten, dass die unmittelbare Abhängigkeit bürgerlicher Existenz von den Zielen der politischen Herrschaft dazu führte, dass sich normale Bürger für deren Anliegen interessierten, während diese den Bauern des Feudalismus gleichgültig waren, die auch nicht permanent deren Auswirkungen zu bewältigen hatten.

In ihrer Begeisterung für die Durchsetzung „ihrer“ Nation sind die Bürger schnell für Kriege zu haben und diese Kriege werden mit Erbitterung und Hass geführt, da sie darauf aus sind, die gegnerische Nation zur Gänze in die Knie zu zwingen. Sie haben daher nicht mehr ihr Maß in den oben erwähnten Kriegszielen der Eroberung eines Territoriums oder der Durchsetzung kommerzieller Vorteile. Die Konflikte drehen sich nicht mehr ausschließlich um bestimmte Interessen, sondern sie werden zu grundlegenden nationalen Konflikten überhöht, wie Benda nicht müde wird zu betonen: „Das Nationalgefühl ist, indem es volkstümlich wurde, vor allem zu Nationalstolz und nationaler Empfindlichkeit geworden. Um zu ermessen, wieviel es dadurch an reiner Leidenschaftlichkeit, an totaler Irrationalität und folglich an Kraft gewonnen hat, braucht man nur an den Chauvinismus zu denken, jene recht eigentlich erst von den Demokratien erfundene Form des Patriotismus.“[9]

Diese Erkenntnisse erweisen Kants Hoffnung als Illusion, dass mit der Demokratie die Kriege ein Ende haben würden, weil nun jene darüber entscheiden könnten, die die Folgen kriegerischer Handlungen zu erleiden hätten: Da die Bürger in einer Demokratie „alle Drangsale des Krieges über sich selbst beschließen müßten (als da sind: selbst zu fechten; die Kosten des Krieges aus ihrer eigenen Habe herzugeben; die Verwüstung, die er hinter sich läßt, kümmerlich zu verbessern; zum Übermaße des Übels endlich noch eine, den Frieden selbst verbitternde, nie (wegen naher immer neuer Kriege) zu tilgende Schuldenlast selbst zu übernehmen)“, würden sie sich nämlich „sehr bedenken (…), ein so schlimmes Spiel anzufangen“.[10] Ein Fürst hingegen würde, da er nicht Staatsgenosse, sondern Staatseigentümer sei, „an seinen Tafeln, Jagden, Lustschlössern, Hoffesten u. d. gl. durch den Krieg nicht das mindeste“ einbüßen und „diesen also wie eine Art von Lustpartie aus unbedeutenden Ursachen beschließen“.[11] Die Vorstellung, dass Fürsten in Kriegen nicht ihre Herrschaft riskieren und zumindest einiges an ihren Schlössern einbüßen könnten, ist ja ohnehin an Albernheit kaum zu überbieten. Viel schwerer wiegt jedoch, dass Kant den mit der Demokratie heraufbeschworenen Nationalismus nicht zu erkennen vermochte, der sein Maß eben nicht mehr im Nutzen des Fürsten hat, der seine wirtschaftliche und politische Macht vergrößert. Nun, wo der Nutzen nationaler Herrschaft dank demokratischer Agitation für die Nation nicht mehr einer politischen Elite vorbehalten scheint, sondern jeder etwas davon zu haben glaubt, verhält es sich laut Benda so, „daß dieses nationale Ressentiment den Staatschefs ein neues und sicheres Mittel bietet, Kriege je nach Bedarf vom Zaun zu brechen“.[12] Da muss man wohl noch von Glück sprechen, wenn sie dies nicht nach Art einer „Lustpartie“ machen …

Abschließend ist noch festhalten, dass Bendas Klage über den Verrat der Intellektuellen Ähnlichkeiten mit Pasolinis Klage über die Auflösung einer eigenständigen proletarischen Kultur aufweist. Die Verbürgerlichung der Intellektuellen hat dazu geführt, dass sich diese nicht mehr als Widerspruch zur politischen Herrschaft verstanden, sondern sich dieser anbiederten und ihr nützlich sein wollten. Die Kultur einer Weltrepublik der Gelehrten war damit ebenso zu Ende gegangen wie die Kultur des städtischen Subproletariats, unter dem Pasolini in den 1950er-Jahren in Rom lebte. Dieser bedauerte, dass dieses Subproletariat, wie er es nannte, ein Jahrzehnt später auf bürgerliche Karrieren zu spekulieren begann und jenen bürgerlichen Charaktermasken nacheiferte, für die es davor nur Spott und Hohn übrig hatte. Alle diese Entwicklungen lassen sich mit der Durchsetzung bürgerlicher Herrschaft in allen gesellschaftlichen Bereichen erklären.

Auch André Glücksmanns Kritik der Meisterdenker ist als Fortsetzung von Julien Bendas Kritik der Intellektuellen zu begreifen – beide würden sich allerdings auch den Vorwurf einhandeln, einen abstrakten Intellektualismus zu predigen, der sich leicht damit tut, seine Ideale hochzuhalten, da er ja nicht in die Verlegenheit kommt, sich praktisch bewähren zu müssen, dies vielmehr als Zumutung zurückweist.


[1] Julien Benda: Der Verrat der Intellektuellen, Kindle E-Book, Mainz 2013, Positionen 314 f.

[2] Ebenda, Positionen 320–322

[3] Ebenda, Positionen 331–333

[4] Hass – Opium der Völker: Rechte und linke Ideale im Kampf um die bürgerliche Gesellschaft, Wien 2018, S. 67

[5] Julien Benda: Der Verrat der Intellektuellen, a. a. O., Positionen 1498 f.

[6] Ebenda, Positionen 1509 f.

[7] Ebenda, Positionen 1572–1575

[8] Martin Moll: Die Steiermark im Ersten Weltkrieg. Der Kampf des Hinterlandes ums Überleben 1914–1918, Wien/Graz/Klagenfurt 2014, S. 27

[9] Julien Benda: Der Verrat der Intellektuellen, a. a. O., Positionen 1580–1583

[10] Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf, in: Kant-Werke, Bd. 11, S. 205 f.

[11] Ebenda, S. 206

[12] Julien Benda: Der Verrat der Intellektuellen, a. a. O., Positionen 1593 f.

Amoklauf in Kitzbühel

Wien, 9. 10. 2019

Bekanntlich hat um ca. 5.30 Uhr am 6. 10. 2019 ein 25-jähriger Mann in Kitzbühel seine ehemalige Verlobte und deren gesamte Familie sowie ihren vermutlich neuen Freund in einer Weise umgebracht, die einer Hinrichtung gleicht. Fünf Menschen wurden bei diesem Amoklauf ermordet, der an Amokläufe in Schulen erinnert. Obwohl diese grauenhafte Tat als „unfassbar“ bezeichnet wird, weil ja jeder unter Beweis stellen will, dass ihm so etwas Verwerfliches völlig fremd ist, gibt es auch jede Menge vermeintlicher Erklärungen über sie. Von Eifersucht und Besitzansprüchen ist die Rede, von schwachen Männern, die Trennungen nicht verkraften, und natürlich von patriarchalischen Strukturen, die dafür verantwortlich seien. Zu erwähnen ist hier das Interview von Armin Wolf mit Dr. Birgitt Haller vom Institut für Konfliktforschung in der ZIB 2 vom 7. 10. 2019. Dort sind bedenkliche Aussagen gefallen, die mich zu dieser Stellungnahme veranlasst haben.

So hat Frau Haller auf die Frage Herrn Wolfs, weswegen überwiegend Männer solche Gräueltaten vollbringen, geantwortet, dass dies mit der patriarchalischen Gesellschaft zu tun habe, in der wir leben würden. In dieser seien einfach Männer „auf allen Ebenen präsenter, wichtiger“ (…), wo Frauen sozusagen weniger wert sind (…)“. Dies ermögliche es Männern, „diese Unwertigkeit auch auszuleben und das äußert sich bei Männern in brutaler Gewalt“.[1] Diese Aussage tätigt Frau Haller allen Ernstes angesichts der Ermordung von drei Männern und zwei Frauen! Da fragt man sich schon, ob nicht vielleicht das Leben der Männer als weniger wertvoll erscheint, nachdem deren Ermordung hier nicht einmal richtig wahrgenommen zu werden und nicht der Rede wert zu sein scheint! Dazu würde es ja auch gut passen, dass bei Katastrophen die Parole gilt: „Frauen und Kinder zuerst!“, und zwar unabhängig vom Alter der Frauen, sodass die geretteten Kinder dann vielleicht ohne Väter sind, weil das Leben kinderloser alter Frauen dem junger Väter vorgezogen worden ist. Außerdem werden bekanntlich Männer in Kriegen als Kanonenfutter verheizt, aber das ist dann anscheinend nur ihr tragisches Schicksal!

Meines Erachtens hat der Amoklauf des Andreas E. in Kitzbühel überhaupt nichts mit irgendwelchen Wertvorstellungen über Frauen zu tun, und wenn überhaupt, dann höchstens mit deren falscher Idealisierung. Nach den mir bekannten Fakten handelt es sich bei dem Mörder um einen schüchternen Menschen, der sich in der eigenen Familie als „Verlierer“ gefühlt hat, weil sein Bruder ein Akademiker, er hingegen „nur“ ein Arbeiter ist. Deswegen zeigt er auf Facebook auch Sympathien für Redneck, eine oft abfällig gemeinte Bezeichnung für arme weiße Landarbeiter vor allem aus den Südstaaten der USA. Deswegen war er vermutlich auch ein Mitglied der FPÖ. Seine Schüchternheit erklärt vielleicht auch, weswegen er sich als 20-Jähriger mit der damals 14-jährigen Nadine H. verlobt hat, eine für mich persönlich ohnehin schwer nachvollziehbare Handlung, da ich mich immer eher für gleichaltrige oder ältere Frauen interessiert habe und mir schwer vorstellen kann, was man als 20-Jähriger mit einer 14-Jährigen anfangen kann. Vielleicht fiel es ihm einfach leichter, eine 14-Jährige zu beeindrucken, war jedoch hierin bereits das Ende der Beziehung angelegt, da die heranwachsende Frau irgendwann erkennen musste, dass ihr Partner doch nicht so toll ist, wie er ihr als unerfahrenem Mädchen erschien. Zunächst ist der junge Mann jedoch auch von der Familie seiner jüngeren Partnerin aufgenommen worden, hat bei ihr gelebt und sich dort angeblich mehr geborgen gefühlt als in seiner eigenen Familie.

Angesichts dieser Umstände muss die angeblich vor ungefähr zwei Monaten von Nadine H. herbeigeführte Beendigung der Beziehung ohnehin schon ein schwerer Schlag für Andreas E. gewesen sein. Aber vielleicht hat er sich noch an den Strohhalm geklammert, dass er sie zurückerobern könnte, dass sie sich nach einer gewissen Zeit wieder näherkommen würden. Ich vermute daher, dass der Anblick seiner ehemaligen Partnerin mit einem neuen Mann an ihrer Seite für ihn so etwas wie ein Stich ins Herz gewesen sein muss, dass irgendetwas in ihm dabei gestorben ist und er sich gefühlt hat, als hätte sie ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Schließlich wurde damit zumindest dem äußeren Anschein nach die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung zunichtegemacht und darüber hinaus musste ihm dies so erscheinen, als würde Nadine H. unter der Trennung keineswegs so wie er leiden, sondern die gemeinsamen fünf Jahre problemlos aus dem Gedächtnis löschen und ihn ohne Umschweife ersetzen bzw. austauschen. Dies ließ ihm keine Ruhe und er erschien daher bei ihr um 4 Uhr nachts mit dem brennenden Bedürfnis nach einer Aussprache. Allein der Umstand, dass er dafür nicht auf den Tagesanbruch warten konnte, zeigt, wie dringend dieses Anliegen für ihn war.

Soweit ich weiß, wurde dieser Wunsch nach einer Aussprache zurückgewiesen, vielleicht waren Nadine und ihr Vater auch der Ansicht, es ziemlich deutlich machen zu müssen, dass sie mit ihm nichts mehr zu tun haben wollen, aus welchen Gründen auch immer. Damit war für ihn anscheinend der Tatbestand des Verrats erfüllt, er fühlte sich verraten und verkauft und fasste den Entschluss, die vermeintlichen Verräter ihrer „gerechten“ Strafe zuzuführen.

Diese Reaktion des Gegenangriffs ist allerdings tatsächlich etwas, was man bei Männern eher als bei Frauen findet. Das hat auch damit zu tun, dass man als Mann ja keine Verletzlichkeit zeigen darf. Entgegen anders lautenden Auskünften verschiedener Frauen ist ein weinender Mann alles andere als attraktiv, er gilt als Weichei und Waschlappen, wie die Ausdrücke lauten, die allein Männern vorbehalten sind. Eine weinende Frau hingegen erregt „Beschützerinstinkte“, wie es heißt, denn schließlich zeigt diese das Bedürfnis nach einer starken Schulter, an der sie sich ausweinen kann, und diese glauben Männer ihr bieten zu können. So haben sie endlich eine Möglichkeit, Kontakt zu knüpfen, während sie sich davor vielleicht stundenlang überlegt haben, mit welcher „Ansage“ sie Eindruck erwecken und bei einer Frau „landen“ könnten. Während es also dem Ruf einer Frau nicht schadet, sich ihrer Trauer und Traurigkeit hinzugeben, glauben verletzte Männer ihren Ruf wiederherstellen zu müssen, indem sie jene Menschen attackieren, von denen sie sich verletzt glauben. Und der Anblick seiner Ex-Freundin mit einem neuen Mann muss für Andreas E. als Ausdruck unglaublicher Gefühlskälte und Brutalität gegen ihn erschienen sein, als Verletzung, auf die mit aller Gewalt zurückzuschlagen ist – mit den bekannten traurigen Ergebnissen.

Ein Phänomen, das ich in diesem Zusammenhang ohnehin schon des Öfteren beobachtet habe, ist der Umstand, dass Frauen sich häufig erst dann von ihren Partnern trennen, wenn sie bereits einen neuen Begleiter zur Hand haben. Darüber hinaus sind sie dann ziemlich rücksichtlos gegen ihren ehemaligen Partner, dem sie deutlich machen, dass er stört und gefälligst das Weite zu suchen habe. Vielleicht ist es im Fall von Nadine H. ja so gewesen, dass sie sich innerlich schon länger von ihrem Verlobten losgesagt hat. Wenn sie etwa im Jahr 2018 auf Facebook geschrieben hat, dass sie ihr Glück zu ihrer Priorität machen will, dann kann sich darin die Abwendung von einem Partner äußern, mit dem man nicht mehr glücklich ist. Frauen gehen der offenen Austragung von Konflikten hier zunächst vielleicht auch deswegen aus dem Weg, weil sie eine gewaltsame Reaktion des Partners fürchten und bei körperlicher Gewalt zumeist das Nachsehen haben. Bereits Schopenhauer hat daher festgestellt, „daß sie, als die schwächeren, von der Natur nicht auf die Kraft, sondern auf die List angewiesen sind: daher ihre instinktartige Verschlagenheit und ihr unvertilgbarer Hang zum Lügen“.[2] So jedenfalls muss das Verhalten seiner ehemaligen Partnerin auch auf Andreas H. gewirkt haben, ohne dass er dies genauso auf den Begriff bringen könnte. Und da die ganze Familie zur Tochter hielt und sie in ihrem „Verrat“ unterstützte, musste auch sie vernichtet werden.

Nicht zuletzt sind solche Amokläufe auch die letzte verzweifelte Anstrengung, zu den Siegern in einer Gesellschaft zu gehören, in der es gerade für Männer sehr darauf ankommt, nicht als Verlierer zu gelten. Während es bei Frauen ziemlich egal ist, welchen beruflichen und gesellschaftlichen Status sie haben, während Frauen heiraten können, um versorgt zu sein, steht dieser Weg für Männer vielleicht auch deswegen nicht offen, weil man Frauen laut Schopenhauer nicht so leicht über seine wahren Motive täuschen könne: Da sie es in der Verstellung zu großer Meisterschaft gebracht hätten, „durchschauen sie fremde Verstellung so leicht, daß es nicht rathsam ist, ihnen gegenüber, es damit zu versuchen“.[3]

Unabhängig davon, ob Schopenhauer nun Recht hat oder nicht und ob er vielleicht übertreibt, scheint mir aber eine Sache noch wichtig: Die bereits erwähnte Idealisierung von Frauen, die diese ohnehin nur enttäuschen können, sollten Männer unbedingt unterlassen. Man sollte bereits in den Schulen lernen, dass Frauen nicht die engelsgleichen Wesen sind, als die sie in einer Gesellschaft erscheinen, in der es mittlerweile üblich ist, Frauen auf allen Ebenen als Opfer einer Geringschätzung (für „weniger wichtig“ gehalten, siehe Haller) hinzustellen und im Gegenzug zu einem Vernichtungsfeldzug gegen die Männer mit ihren angeblichen Privilegien auf allen Ebenen aufzurufen. Auch Frauen können grausam sein, manchmal auf subtile Weise, manchmal auch ganz unverblümt. Wären sich Männer dessen bewusst, würden sie auch nicht so entsetzt darauf reagieren, wenn eine Frau ihnen gegenüber diese Seite offenbart, der sie dies niemals zugetraut hätten, weil sie ihr ganzes Leben von der Zuneigung abhängig gemacht haben, welche diese für sie zu empfinden schien. Die von der Zuneigung einer Frau abhängige Bejahung ihres Lebens schlägt nämlich mit dem Entzug dieser Zuneigung in die Negation ihres Lebens um. Daher hat Andreas E. nur noch einen Zweck in seinem Leben gekannt, nämlich die Vernichtung jener, die aus seiner Sicht sein ganzes Leben verneint haben. Nach dieser Tat hat er sich der Polizei auch deswegen gestellt, weil ihm danach egal war, was mit ihm weiter geschieht. Sein Leben war ihm nach vollbrachter Tat so gleichgültig, dass er nicht einmal mehr die Kraft aufbrachte, diesem ein Ende zu setzen.

Wenn ich mich hier in die Lage und die Gefühlswelt des Amokläufers von Kitzbühel hineinversetzt habe, so will ich damit die Fehler aufzeigen, die sein Denken und Handeln bestimmt haben. Solche Gedankengänge zu durchschauen, ist der erste Schritt, um sie zu überwinden. Sollte jemand der Auffassung sein, ich würde hiermit Verständnis für einen Mörder zeigen und seine Handlungen rechtfertigen, so gilt gerade im Gegenteil, dass der Nachvollzug seiner Vorstellungen unerlässlich ist für deren schlüssige Kritik.


[1] https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-2/1211/ZIB-2/14028131, aufgerufen am 9. 10. 2019

[2] Arthur Schopenhauer: Parerga et Paralipomena, 2. Bd., in: Das Gesamtwerk. In chronologischer Reihenfolge, Kindle E-Book, Positionen 50826–50828

[3] Ebenda, Position 50833 f.

Daniel Kehlmann versteht die Welt nicht (mehr?)

28. 7. 2019

Eine lange Friedensperiode und mit dieser eine Phase der Stabilität sind für den Autor Daniel Kehlmann plötzlich unter Beschuss.[1] Das ist ihm so unbegreiflich, dass man gar nicht genau sagen könne, woher der Überdruss an dieser Phase eigentlich rühre. Er sagt zwar, er könne es nicht genau sagen, er weiß aber in Wirklichkeit überhaupt keinen Grund zu nennen und kann sich einfach nicht erklären, wie in der westlichen Welt auf einmal „Narren“ an die Schalthebel der Macht kommen, die ganz unverblümt nationalen und auch persönlichen Interessen dienen.

Bereits die Feststellung einer langen Phase der Stabilität und des Friedens lässt an der Wahrnehmung Kehlmanns zweifeln. Wo hat dieser Menschen sein bisheriges Leben nur zugebracht, möchte man fragen. Oder offenbart sich hier ein unerwarteter Fall von Bildungsferne? Hat es denn neben dem Kalten Krieg nicht jede Menge echter Kriegsschauplätze gegeben, unter denen Korea und Vietnam nur die bekanntesten sind? Gab es in den 1980ern nicht den Ersten Golfkrieg, den Krieg zwisch Iran und Irak? Nach der Abdankung des realen Sozialismus folgte sogleich der Zweite Golfkrieg, diesmal von den USA gegen den Irak, danach der kriegerische Zerfall Jugoslawiens, der sich über mehrere Jahre hinzog. Dann kam es 2001 zu 9/11 in New York und den Feldzügen der USA gegen Terrornetzwerke mit dem Krieg in Afghanistan und dem Dritten Golfkrieg, zur Entmachtung Husseins im Irak, aber auch Gaddafis in Libyen samt den Kriegen in Syrien und Irak und gegen den IS. In Europa kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen um die Ukraine. Das sind nur die bekanntesten Kriege, da habe ich die Feldzüge Saudi-Arabiens im Jemen oder Frankreichs in Mali noch gar nicht mitgezählt, die üblicherweise wenig beachtet werden. Und nachdem die weltweite Kapitalüberakkumulation noch immer nicht bereinigt ist, die 2007 mit der Immobilienblase in den USA begonnen und in der Griechenlandkrise einen Höhepunkt erreicht hatte, ist es zumindest gewagt, von einer Phase der Stabilität zu sprechen, die plötzlich aus unerfindlichen Gründen unter Beschuss gekommen sei. Sollte all dies Kehlmann unbekannt sein oder tangiert es ihn nur nicht?

Natürlich weiß Kehlmann um all diese Fakten, sie gehen ihm nur am Arsch vorbei. Solange er keine Kriege zwischen den imperialistischen Staaten vor seiner Haustür befürchten muss, herrscht für ihn Frieden. Um die Stabilität ihrer politischen Herrschaft geht es ihm daher, denn diese scheint ihm dadurch gefährdet, dass sich Narren ihrer bemächtigt hätten. An diesem Urteil über Trump und Johnson ist allerdings bemerkenswert, dass diese es nicht waren, die für die eben genannten Phänomene verantwortlich zu machen sind, die Kehlmann ja gerade keiner Kritik würdig sind. Soll man nun etwa für den Bestand von Verhältnissen eintreten, die von solchen Geschehnissen geprägt sind, sind diese etwa der Bewahrung wert und gegen eine Bedrohung von Leuten wie Trump und Johnson zu verteidigen? Oder passen solche Figuren nicht vielmehr bestens zu staatlichen Gebilden, deren Führer zum Einsatz von Gewalt jederzeit bereit sind, wenn diese zur Durchsetzung ihrer Herrschaft notwendig und leicht durchführbar scheint? Als Narren gelten Trump und Johnson demnach wohl für Kehlmann deswegen, weil sie genau jene Rücksichtslosigkeit in der Durchsetzung nationaler Interessen präsentieren, die auch deren Vorgänger ausgezeichnet hat. Letztere unterschieden sich nur dadurch von ihnen, dass sie ihre Interessen nicht so unverblümt und rücksichtlos ausgesprochen und zur Schau gestellt haben wie Trump, wenn er „USA first“ deklamiert.

Natürlich unterscheidet sich Trump von seinen Vorgängern insofern, als diese ihre politischen Vorhaben immer als Angebot an die Interessen der betroffenen Nationen verstanden und aufgenommen wissen wollten. Darauf verzichtet Trump nicht nur, das ist ihm vielmehr ein Zeichen von Schwäche, welche diese Nationen zum Schaden der USA ausgenutzt hätten. Auch Johnson will die bisherigen Beziehungen Großbritanniens neu ausrichten und deswegen den Erfolgsweg der Nation außerhalb der EU suchen. Ob diese Strategie erfolgreich sein wird für die imperialistischen Ansprüche, die auf diese Weise betrieben werden sollen, lässt sich genauso wenig absehen wie in dem Fall, dass die bisherigen Formen weiter fortgesetzt worden wären. Auf jeden Fall wird der Ton zwischen den führenden Nationen rauer, da ihre Interessensgegensätze im Bann weltweiter Überakkumulation von Kapital unversöhnlicher werden und von einer Situation wechselseitigen Gewinns immer weniger zu bemerken ist.

Die Überakkumulation von Kapital führt zu einem Verdrängungswettbewerb, welchen jede Nation zu Lasten der anderen für sich zu entscheiden sucht. Während sich in der Phase beschleunigter Akkumulation die Konkurrenten um den Anteil am Wachstum streiten, gibt es hier Wachstum nur noch durch die Verluste der anderen Nationen. Deswegen werden die imperialistischen Gegensätze zwischen den Nationen unversöhnlicher, weswegen wiederum politische Führer wie Trump und Johnson in Erscheinung treten. Anstatt sich aber deren Aufstieg so zu erklären, streicht Kehlmann jeden nachvollziehbaren Grund dafür durch und erklärt sie zu Narren, die erst jene Verrücktheiten hervorbringen würden, die ihnen vielmehr den Weg geebnet haben. Wer daran festhalten will, dass kapitalistische und imperialistische Konkurrenz das gesellschaftliche Leben bestimmen soll, der kann sich eben für Leute wie Trump und Johnson erwärmen. Wer hingegen stattdessen wie Kehlmann seine Idealvorstellungen von dieser Konkurrenz aufrechterhalten will, der sieht darin eine Verletzung von Weltoffenheit, Toleranz und Freiheit.

Kehlmann wirkt wie ein Jünger von Francis Fukuyama, der nach dem Ende des sowjetischen Imperiums das Ende der Geschichte gekommen sah, da nunmehr alle Nationen mit Kapitalismus und Demokratie gesegnet seien und weltweit nur noch friedlicher Handel und Wandel stattfinden würde. Auf die Absurdität, die diese Behauptung immer schon gewesen ist, habe ich ja bereits in meinem letzten Buch aufmerksam gemacht.[2] Es ist mit der Abdankung der Sowjetunion die wesentliche Ursache dafür hinweggefallen, dass die imperialistischen Gegensätze im Zaum gehalten wurden. Die Bekämpfung des Systemgegners hatte Priorität, dem wurden die innerimperialistischen Konflikte untergeordnet und das war der Grund für den langen „Frieden“ in Europa, nicht die EU. Kaum war die Sowjetunion nicht mehr als Gegner präsent, kam es daher auch zum Jugoslawien-Krieg und zum Zweiten Golfkrieg.

Leute wie Kehlmann jedoch, die nichts Schlechtes über die bürgerliche Gesellschaft kommen lassen wollen, fühlen sich in dieser offenbar so wohl, dass sie sich die Ermächtigung von Trump und Johnson nicht erklären können. Sie verstehen die Welt nicht mehr, wenn die bürgerliche Herrschaft ihr Gesicht so offen zeigt, wie es Trump und Johnson tun. Sie haben sie zwar davor auch nicht verstanden, dachten aber davor, dass diese Herrschaft jenen Idealen entspricht, die sie von ihr haben. Da darf es nur an der Herrschaft dieser Narren liegen, wenn diese genau das tun, was ihnen ganz imperialistisch sachgerecht geboten scheint. So ein hässliches Gesicht soll der Kapitalismus nicht zeigen, dafür sind nach Kehlmann nur solche Narren verantwortlich zu machen, denen von offenbar durch zu langen Frieden verblendete Bürger zur politischen Herrschaft verholfen wird. Denn diese Bürger wissen wohl gar nicht mehr, wie gut es ihnen gehe, verwöhntes Pack aber auch!

Wer sich an Personen wie Trump und Johnson stößt, sollte besser seine Vorstellungen von der bürgerlichen Gesellschaft überprüfen, anstatt sich darüber zu beklagen, dass deren Herrschaft seinen Idealen widerspricht. Man kann nicht gegen Trump und Johnson und gleichzeitig für die politische Herrschaft sein, deren Führung sie innehaben. Wer etwas gegen diese Personen hat, müsste sich fragen, wie diese zu dieser Herrschaft passen, wenn er sich nicht in Widersprüche verwickeln will. Wie Max Horkheimer einmal gesagt hat, dass auch vom Faschismus schweigen soll, wer nicht über den Kapitalismus sprechen will, so müsste auch von Trump und Johnson schweigen, wer nicht vom Kapitalismus sprechen will. Dies unterlässt jedoch, wer es unbegreiflichen Narren zuschreiben will, wenn seine Ideale von dieser Gesellschaft nicht beachtet werden. Anstatt sich den Zusammenhang der vermeintlichen Narren mit der bürgerlichen Konkurrenz zu erklären, werden angebliche Narren zur Ursache der Konflikte erklärt, die dieser Konkurrenz entspringen.

Auf diesen Fehler habe ich ja bereits in meinem Artikel über den aktuellen Bourgeois-Sozialismus hingewiesen. Wie dort nachgewiesen, beklagt Michael Schmidt-Salomon ganz im Sinne Kehlmanns die Macht der Dummheit,[3] als hätte sich diese der bürgerlichen Gesellschaft bemächtigt und würde sich nicht notwendig daraus ergeben, dass man in dieser seinen Erfolg suchen will. Es handelt sich bei all diesen Dummheiten wie bei der scheinbaren, weil ihre Logik nicht begreifenden Kritik daran um notwendig falsches Bewusstsein. Notwendig falsch muss es sein, weil ein richtiges Bewusstsein von der bürgerlichen Gesellschaft ein Hindernis dafür darstellen würde, für diese Partei zu ergreifen und mit der Überzeugung in ihr mitzumachen, dass man es hier bestens getroffen hätte, weil hier Freiheit herrschen und der eigene Erfolg allein von der eigenen Willensstärke sowie Leistungsbereitschaft abhängen würde.


Man muss zwar nicht zu den Schlussfolgerungen eines Trump oder Johnson kommen, wenn man unzufrieden mit den herrschenden Verhältnissen ist. Für andere Schlussfolgerungen trete ich ja mit diesem Artikel ein. Wenn man sich jedoch in diesen Verhältnissen durchsetzen will wie diese beiden, dann hat man an diesen auch nur auszusetzen, dass der Erfolg dieser Bemühungen ausbleibt. Um diesen Erfolg zu erzwingen, werden sich bürgerliche Politiker noch zu mancher Narrheit hinreißen lassen, angesichts welcher Bobos vom Schlag eines Kehlmann endlich bemerken könnten, dass sie die Welt auch davor schon nicht verstanden haben.

[1] https://www.kleinezeitung.at/kultur/buecher/5665382/Zu-Boris-Johnson_Schriftsteller-Daniel-Kehlmann_Narren-haben-die, aufgerufen am 28. 7. 2019

[2] Hass – Opium der Völker, Wien 2018

[3] https://lektoratsprofi.com/2018-2/, aufgerufen am 28. 7. 2019


Pier Paolo Pasolinis Kritik der Überbevölkerung und des Koitus

Wien, 14./15. 6. 2019

Im März 2019 hat eine Dame namens Verena Brunschweiger mit dem Buch Kinderfrei statt kinderlos provoziert und für Entrüstung gesorgt. Darin erklärt sie den Kinderwunsch zu einem egoistischen Begehren und würdigt den Verzicht auf Fortpflanzung als Beitrag zum Umweltschutz. Deswegen sei es auch angebracht, von kinderfreien Frauen oder Paaren zu sprechen, wenn diese keine Kinder gezeugt haben, nicht jedoch von kinderlosen, als wäre ein Mangel, was sie der Umwelt zuliebe für wünschenswert hält. Weshalb ein solches Buch ausgerechnet in Europa notwendig sein sollte, dessen Bevölkerung ohne Migration ohnehin schrumpfen würde, sei dahingestellt.

Neu und originell ist diese Auffassung jedoch keineswegs, vielmehr hat Pier Paolo Pasolini diesen Standpunkt bereits in der 1970er-Jahren eingenommen, genauer: am 19. 1. 1975 in der italienischen Tageszeitung Corriere della sera. Der dort erschienene Artikel findet sich in Pasolinis Freibeuterschriften unter dem Titel: „Der Koitus, die Abtreibung, die Schein-Toleranz der Herrschenden, der Konformismus der Progressiven“.[1] Darin spricht er von der „Tragödie der Bevölkerungsentwicklung, die ökologisch gesehen die schwerwiegendste Bedrohung für das Überleben der Menschheit darstellt“.[2] Während früher die Geburten höher sein mussten als die Sterbefälle, um das Überleben der Menschengattung zu ermöglichen, sei es nunmehr erforderlich, „daß die Geburten die Todesfälle nicht übersteigen“. Waren Kinder früher ein Segen, so sei heute „jedes neugeborene Kind ein Beitrag zur Selbstzerstörung der Menschheit und somit ein Fluch“.[3] Das wertet natürlich den homosexuellen Verkehr auf, den Konservative „für unzulässig, weil nutzlos für das Überleben der Spezies“[4] erklärt haben. Pasolini spricht sich daher nicht für die Abtreibung, sondern gegen den Koitus aus. Weil dieser Standpunkt seinem persönlichen Interesse als Homosexueller bestens entsprach, handelte er sich von Umberto Eco die Kritik ein, dass er eine Gesellschaft mit einer homosexuellen Mehrheit wünsche, in der eine heterosexuelle Minderheit auf eine eingeschränkte Sexualität im Dienst der Arterhaltung festgelegt wäre.[5]

Pasolini stößt sich an der Abtreibung auch deswegen, „weil sie den Koitus – die heterosexuelle Vereinigung – noch einfacher machen würde, indem sie ihm das letzte Hindernis aus dem Weg räumt“.[6] Die Gefahr, dass der Koitus ein unerwünschtes Kind hervorbringen könnte, wäre damit nämlich endgültig gebannt. Für Pasolini schreibt sich dieses Unterfangen in eine hedonistische, auf möglichst hohen Konsum ausgerichtete Lebenshaltung ein. Der Koitus wird für ihn dadurch zu einem Konsumartikel herabgesetzt, dessen Gebrauch keine Hindernisse mehr entgegenstehen sollen. Um ein ausuferndes Bevölkerungswachstum zu verhindern, tritt Pasolini daher nicht für die Legalisierung der Abtreibung ein, sondern für die Überwindung des Koitus als der herrschenden Form sexueller Begegnung. Er wirbt daher für Empfängnisverhütung, „andere Liebestechniken, eine neue Sexualmoral usw. usw.“[7] Zuspruch erhielt er hierin am ehesten noch von feministischer Seite, da damals gerade der „Schwanzfick“[8] als Vergewaltigung angefeindet wurde und daher anderen Liebesformen weichen sollte. Die Abtreibung würde es dagegen den Männern leicht machen, ihre Fixierung auf den Koitus zu praktizieren, während doch dieser als Ursache der Überbevölkerung zu überwinden sei.

Um gleich einmal alle Zweifel auszuräumen: Ich bin auch nicht für Abtreibung, allerdings ist es wohl besser für alle Beteiligten, wenn ein Kind von seinen Erzeugern gewünscht und geliebt wird. Ein Kind soll daher nicht nur deswegen auf die Welt kommen, weil es eben „passiert“ ist, es soll nicht als Last empfunden und behandelt werden. Angesichts der Verhütungsmöglichkeiten sollte daher Abtreibung in unserer Zeit eher die Ausnahme als die Regel darstellen. Bemerkenswert an Pasolinis Kritik des Koitus ist jedoch dessen Einordnung als Merkmal einer hedonistischen Konsumideologie. Diese habe den traditionellen Faschismus abgelöst, der auf Opferbereitschaft und Gehorsam beruht habe. Pasolini zeigt hier eine Übereinstimmung mit der Kritik der Kulturindustrie, die sich bei Adorno oder auch Herbert Marcuse findet, der bekanntlich den hedonistischen Konsum als repressive Entsublimierung bezeichnet hat: Ab und an „die Sau herauslassen“ und „über die Stränge schlagen“ zu dürfen, würde es den Bürgern leichter machen, die vom bürgerlichen Staat geforderte Disziplin aufzubringen. Mit dieser Kritik geht Pasolini allerdings meines Erachtens zu weit, denn ich wüsste nicht, weswegen man es jemandem vorwerfen wollte, es im Leben angenehm haben zu wollen, es sei denn, dass dies mit dem Schaden anderer verbunden wäre. Er würde damit auch seiner rhetorischen Frage widersprechen: „Wofür macht man denn die Revolution, wenn nicht, um glücklich zu sein?“[9] Wenn Pasolini die Konsumorientierung der Bürger als hedonistisch verurteilt, wird er damit daher auch nicht dem Anliegen seiner Kritik gerecht. Wie sich diese Kritik angemessener darstellen lässt, will ich daher nun kurz umreißen.

Pasolini ist aufgefallen, dass im Zuge der kapitalistischen Entwicklung Italiens nach dem Zweiten Weltkrieg eine Veränderung der Werte insbesondere der bäuerlichen und subproletarischen Bevölkerung stattgefunden hat. Diese hatte früher nicht die Absicht, eine bürgerliche Karriere zu machen, es gab nicht den Ehrgeiz, in der bürgerlichen Gesellschaft Erfolg zu haben, und deswegen wohl auch nicht den Anspruch, dass es die eigenen Kinder einmal besser haben sollten. Dies demonstriert Pasolini am Beispiel des Bäckerjungen, der früher in zerlumptem Gewand pfeifend und scherzend seine Runden zog, sich seiner Bekleidung jedoch keineswegs schämte, sondern mit anarchistischem Humor die reiche Kundschaft verarschte: „Der Welt des Reichtums hatte er seine Welt, mit eigenen Werten, entgegenzusetzen.“[10] Es ist jene Welt kleiner Landarbeiter und Bauern, welche die Brüder Taviani in ihrem Firm „Kaos“[11] schildern, die Welt der Cabiria in Federico Fellinis Film „Die Nächte der Cabiria“ oder auch jene in Peter Roseggers Romanen und Erzählungen, die Pasolini den Heilsversprechen des Warenkonsums entgegensetzt. Diese Welt hat sich jedoch im Zuge der kapitalistischen Entwicklung aufgelöst, niemand will ihr mehr angehören, denn sie steht für Unterentwicklung, Armut, Provinzialismus, für den Idiotismus des Landlebens. Diese Verbürgerlichung hat dieses bäuerliche und städtische Proletariat jedoch keineswegs glücklicher gemacht, im Gegenteil, nun schämen sich diese Menschen dafür, keine erfolgreichen Bürger zu sein. Der langhaarige und schnauzbärtige Bäckerjunge der neueren Zeit trägt seinen Plastiksack mit kleinbürgerlichem Ernst durch die Gegend, denn „diese Jugendlichen sind traurig, weil sie – nachdem ihre Werte und ihre kulturellen Modelle zerstört wurden – sich ihrer kulturellen Unterlegenheit bewußt geworden sind“.[12] War ihnen früher bürgerlicher Erfolg egal, so ist er ihnen nun wichtig und sie leiden darunter, dass er ausbleibt: „Die solchermaßen gedemütigten Jugendlichen aus dem Subproletariat radieren aus ihren Personalausweisen die Bezeichnung ihres Berufs aus und ersetzen sie durch die Angabe ‚Student‘.“[13]

Pasolini stört an der hedonistischen Konsumorientierung die damit vermeintlich verbundene Versöhnung mit dem kapitalistischen System. Auch das Ziel sexueller Befreiung mittels Legalisierung der Abtreibung sei darauf ausgerichtet. Aber auch die dagegen von ihm hochgehaltenen Werte einer proletarischen Kultur, die sich um bürgerlichen Erfolg und Konsum nicht gekümmert hat, haben zur Unterwerfung unter bürgerliche Herrschaft beigetragen. Dies hat bereits 1977 Paul Willis in seinem Buch Learning to Labour: How Working Class Kids Get Working Class Jobs nachgewiesen. Darin zeigt er, wie männliche Nachkommen aus Arbeiterfamilien ihre Identität als Mann mit der schweren körperlichen Arbeit ihrer Väter verbinden, die sich von den „schwulen“ Schwächlingen an ihren Schreibtischen unterscheide: So wird körperlich belastende Arbeit „in die soziale Überlegenheit des Männlich-Starken über das Weiblich-Schwache der (nur) geistigen Arbeitstätigkeit umgedeutet“[14] und von einem entsprechenden Macho-Habitus begleitet. Dadurch entwickeln die männlichen Arbeiterkinder eine Disposition für genau jene Arbeiten, für die sie in der bürgerlichen Gesellschaft vorgesehen sind und wodurch sie zur Reproduktion bürgerlicher Herrschaft beitragen. Sie integrieren sich auf eine widersprüchliche Art und Weise in die bürgerliche Gesellschaft, indem sie eine rebellische Jugend-Gegenkultur entwickeln, die sich den schulischen Anforderungen widersetzt und ihre beruflichen Möglichkeiten auf schwere körperliche Arbeit beschränkt.

Auf diese scheinbar oppositionelle Weise integrieren sich die subalternen Bürger nicht mehr in die bürgerliche Gesellschaft, wenn sie sich eine bürgerliche Karriere zum Ziel setzen und angesichts der damit verbundenen Anforderungen und Enttäuschungen mit frustrierten Gesichtern auftreten. Es ist allerdings falsch, wenn Pasolini eine hedonistische Scheinbefriedigung für die Verbürgerlichung des Proletariats verantwortlich macht, wie es ja auch nicht zutreffend wäre, aus dessen frustrierten Gesichtern auf Zufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen zu schließen. Der Konsum ist vielmehr eine Notwendigkeit, um sich als konkurrenzfähige Arbeitskraft behaupten zu können. So ist der Besitz eines Autos erforderlich, denn sonst „wäre eine mobile Arbeiterbevölkerung, die den räumlich wie zeitlich flexiblen Einsatz in ‚atmenden Unternehmen‘ abzuleisten hat“,[15] nicht zu haben. Das trifft auch auf die üblichen Verdächtigen, die als Beweis proletarischer Errungenschaften angeführt werden, zu, wie der grundlegende Artikel zu Ideologien über Konsum in der politischen Zeitschrift Gegenstandpunkt bezeugt. Selbst moderne Haushaltstechnik und Unterhaltungselektronik stehen hier nicht für Wohlstand, sondern beruhen auf Notwendigkeiten und beschränkten Möglichkeiten:

„Das schmale Zeitfenster, das nach einem aufreibenden Arbeitstag für die Erledigung der Ernährungsfrage noch bleibt, verlangt zwecks Zeitersparnis nach Vorratshaltung, die ohne Kühl- und andere technische Geräte nicht auskommt. Dass die zu erbringende Leistung an einem modernen Arbeitsplatz seinen Inhaber schafft, ohne dass deswegen ein fürstliches Entgelt winkt, trifft sich hervorragend mit den Angeboten der Industrie für Unterhaltungselektronik. Der Fernseher füllt nämlich den marginalen Rest an Erholungszeit optimal, der nach Erledigung der Notwendigkeiten der Reproduktion für den nächsten Arbeitstag noch verbleibt. Erstens ist das Heimkino im Vergleich zu außerhäusigen kulturellen Großtaten zeitsparend. Zweitens überfordert der passive Konsum bewegter Bilder nicht den Restposten an Kondition und Aufmerksamkeit, den die Leistungsbeanspruchung am Arbeitsplatz allenfalls übrig lässt. Und drittens ist die Sache auch noch erheblich billiger als Bayreuth oder Berlinale und damit dem bescheidenen Salär eines Lohnempfängers angemessen.“[16]

Nichtsdestotrotz wird der Zugriff auf solche Güter gerne als Beweis für proletarischen Wohlstand angeführt, denn anscheinend könnte man sich eine proletarische Existenz auch gut ganz nackt vorstellen, beschränkt auf die Lumpen des von Pasolini zitierten Bäckerjungen, der sich mit seinem anarchistischen Humor keinerlei Zurückhaltung auferlegte, weil er ohnehin nichts mehr zu verlieren hatte. Selbst die nicht unmittelbar zur Reproduktion der Arbeitskraft erforderlichen Anschaffungen, die scheinbar nur der Pflege eines Prestiges dienen und daher in den 1970ern zum „Konsumterror“ erklärt worden sind, sind für Pflege des Erscheinungsbildes als konkurrenztüchtiges Subjekt erforderlich. Anstatt den Hedonismus als Verbürgerlichung zu beklagen, hätte Pasolini seiner Gesellschaftskritik daher besser entsprochen, wenn er auf die Widersprüche des Konsums hingewiesen hätte, die einer hedonistischen Lebensführung keineswegs förderlich sind. Diesen Widersprüchen ist auch nicht durch Eroberung möglichst vieler Sexualpartner zu entkommen, wo die Häufigkeit des Koitus gemäß Don Juan zum Beweis der eigenen Vortrefflichkeit dienen soll, um die Niederlagen in den maßgeblichen Konkurrenzbereichen der bürgerlichen Gesellschaft zu kompensieren.


[1] Pier Paolo Pasolini: Freibeuterschriften. Die Zerstörung der Kultur des Einzelnen durch die Konsumgesellschaft, Berlin 1981, S. 55–61

[2] Ebenda, S. 58

[3] Ebenda, S. 59

[4] Ebenda

[5] Ebenda, S. 139

[6] Ebenda, S. 56

[7] Ebenda, S. 60

[8] Vgl. Ulrike Heider: Vögeln ist schön. Die Sexualrevolte von 1968 und was von ihr bleibt, Berlin 2014, S. 138 ff.

[9] Pier Paolo Pasolini: Freibeuterschriften, a. a. O., S. 38

[10] Ebenda

[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Kaos_(Film), aufgerufen am 14, 6, 2019

[12] Pier Paolo Pasolini: Freibeuterschriften, a. a. O., S. 38

[13] Ebenda, S. 30 f.

[14] Birgit Mahnkopf: Verbürgerlichung. Die Legende vom Ende des Proletariats, Frankfurt am Main 1985, S. 241

[15] Ideologien über Konsum und Konsument in der Marktwirtschaft, in: Karl Held (Hg.): Gegenstandpunkt 2-10, Kindle E-Book, München 2010, Position 1574 f.

[16] Ebenda, Positionen 1575–1582

Wenn Stasi-Methoden die „Richtigen“ treffen …

Wien, 22. 5. 2019

Wie in flagranti ertappte Dopingsünder stehen die Herren Gudenus und Strache vor dem Scherbenhaufen heimlich aufgenommener Gespräche, die sie mit einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte geführt haben. Und wie beim Doping glauben nur besonders einfältige und naive Menschen, dass andere Politiker sich nicht so verhalten und von ihrer Macht genau so viel Gebrauch machen würden, wie sie für möglich halten. Gerade deswegen hat H. C. Strache wie alle anderen Politiker besonders viel Wert auf den Anschein der „Sauberkeit“ in der Politik gelegt, wie sie nun auch Österreichs Bundespräsident Van der Bellen zur Bewältigung des „Ibiza-Skandals“ erneut beschwört. Vielleicht nehmen den Herren Strache und Gudenus ihre „Kollegen“ aus der politischen Elite ja diese Schädigung des Rufs von Politikern so übel, dass dies der Grund dafür ist, auf die beiden mit Wonne, Genugtuung und Rachelust nachzutreten, obwohl sie ohnehin bereits am Boden liegen. Zwar hätten diese beiden sich wahrscheinlich genauso verhalten, wenn jemand anderer auf diese Weise kompromittiert worden wäre, dennoch will ich mich diesem erbärmlichen und widerwärtigen Verfahren nicht anschließen. Mir geht es hier vielmehr darum, einige Einsichten zu verdeutlichen, die man den heimlich mitgefilmten Gesprächen auf einer Ferienvilla in Ibiza im Sommer 2017 entnehmen könnte, wenn man es denn wollte.

Zunächst ist hier das bemerkenswerte Faktum festzuhalten, dass man Straches Ausführungen für wahr hält, obwohl es bereits vier Entlastungszeugen für ihn gibt. So wird den Personen und Unternehmen Glock, Horten, Benko und Novomatic ja offensichtlich geglaubt, wenn diese seine Behauptung dementieren, dass sie für die FPÖ Großspenden unter Umgehung des Rechnungshofes geleistet hätten. Bestätigt man damit nicht Straches Relativierung seiner „losen Zunge“ als großsprecherisches und prahlerisches Verhalten, um die „scharfe Russin“ zu beeindrucken? Und wenn die Angaben über die „big spender“ der FPÖ unwahr sind, warum sollten dann die Behauptungen der Wahrheit entsprechen, in welchen Strache der vermeintlichen Oligarchennichte im Falle einer Regierungsbeteiligung der FPÖ Bauauftrage in Aussicht stellte, die er dem Herrn Haselsteiner entziehen wollte? Warum sollte es nicht auch nur Angeberei gewesen sein, wenn Strache behauptete, im Falle des Kaufs der Kronen Zeitung sofort unliebsame Journalisten durch gefälligere Personen ersetzen zu können? Wenn all dies aber als glaubwürdig erscheint, so wäre hier die Frage angebracht, ob sich darin nicht die Macht der Politik offenbart und damit die Rede von der Gewaltenteilung, die angeblich dafür sorgen würde, dass sich diese Macht auf ein vernünftiges Maß beschränke, als Ideologie entlarvt. Auch der weit verbreitete Glaube, dass der Staat im Würgegriff des Kapitals und dessen Diktat unterworfen sei, erweist sich hier ganz offensichtlich als die Irrlehre, die er schon immer war.

Wenn sich hierin aber die Macht von Politikern unverhüllt zeigt, so ergibt sich auch die Frage, weshalb andere Politiker darauf verzichten sollten, von dieser Macht Gebrauch zu machen. Soll man diesen ihre Beteuerungen glauben, nur weil man sie nicht in einem vermeintlich unbeobachteten Moment erwischt hat? Fraglich ist außerdem, wen die heimlich mitgeschnittenen Offenbarungen von Strache und Gudenus zu schockieren vermögen, es sei denn, die schlechte Meinung über Politiker wäre niemals ernst gemeint gewesen, in der Politiker genau in der Weise erscheinen, wie sie sich hier präsentieren. Erstaunlich ist vielmehr, was die Bürger dazu bringt, Menschen, von denen sie eine schlechte Meinung haben, dazu zu ermächtigen, Gewalt über sie auszuüben und ihnen zu sagen, wo es entlanggeht. Anscheinend will man trotz dieser schlechten Meinung daran festhalten, dass es auch „anständige“ Politiker gäbe, und dieses Bedürfnis bedient ja auch Van der Bellen mit seinen Appellen an Anstand und Moral. Dieser Wille lässt sich nur dadurch erklären, dass man eine Herrschaft für nötig hält, die man sich natürlich als vernünftige Ordnung zurechtlegt und rationalisiert, obwohl es genügend Erscheinungen gibt, die dieser Vorstellung widersprechen. Nun müsse man kleinliche Vorteilsberechnungen für das Wohl Österreichs zurückstellen, teilt Van der Bellen den Österreichern mit, ohne sich sorgen zu müssen, deswegen in den Verdacht zu geraten, ein Nationalist zu sein. Nationalisten sind schließlich immer nur die anderen, wenn sie den Interessen der „eigenen“ Nation im Wege stehen. Auch Stasi-Methoden werden ja offensichtlich nicht grundsätzlich abgelehnt, wenn sie die „Richtigen“ treffen, wie man an der allgemeinen Schadenfreude gegen Strache und Gudenus sehen kann. Im Fall der Staaten des realen Sozialismus waren sie demnach nur deswegen unzulässig, weil man etwas gegen diese Staaten hatte, obwohl immer erklärt wurde, dass solche Methoden der Ausdruck menschenverachtender Regimes seien und daher auch nur bei diesen vorkämen. Hier haben ja bereits die von Edward Snowden aufgedeckten Machenschaften der US-Geheimdienste für gedankliche Fortschritte gesorgt, denn im Fall der „guten“ Staaten sind solche Machenschaften „leider“ nötig, um dem immerwährenden „Bösen“ zu wehren.[1]

Bemerkenswert ist auch, was man alles unwidersprochen sagen darf, wenn es die „Richtigen“ trifft. So waren im ORF am Ballhausplatz Interviews mit Demonstranten anlässlich der Bloßstellungen von Strache und Gudenus zu sehen. Ein älterer Herr bekannte sich als politisch rechts und machte seinem Ärger darüber Luft, dass sich die beiden von von „so einem russischen Pack“ hereinlegen ließen. Man stelle sich vor, dieser Herr hätte den Hitlergruß gezeigt oder von einem „muslimischen Pack“ oder sogar von „jüdischem Pack“ gesprochen, da wäre wohl gleich Polizei vor Ort gewesen. Am „Russenpack“ hat sich jedoch anscheinend im ORF niemand gestoßen, denn die Feindbilder, die man selbst teilt, fallen offensichtlich nicht unter das Verdikt der Hetzrede.[2]

Zum Abschluss sei mir noch ein Hinweis für die im Zuge der rasant fortschreitenden Bildungskatastrophen immer zahlreicher werdenden einfältigen Gemüter gestattet: Diese Ausführungen bezwecken keine Verteidigung der Herren Gudenus und Strache, ich fordere vielmehr dazu auf, den Appellen zum Vertrauen in die Politik nicht Folge zu leisten. Die begriffslose Klage über verkommene Politiker muss durch eine Kritik überwunden werden, die den notwendigen Zusammenhang der Herausbildung solcher Charaktere mit der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer staatlichen Herrschaft begreift.


[1] Vgl. hierzu den Artikel über Snowden in meinem Buch: Begehrte Dogmen und ihre unerwünschte Widerlegung; https://lektoratsprofi.com/buecher/

[2] ZIB Spezial, Samstag, 18. 5. 2019, 17 Uhr, Minute 12,15:: https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-1700/71284/ZIB-1700/14013896, aufgerufen am 22. 5. 2019. Bei der Suche nach diesem Beitrag in der ORF-TVthek fand ich auch eine um diesen Zusatz gekürzte Fassung in der ZIB 1 vom Samstag, 18. 5. 2019. So kann man es auch machen!

Bildungskatastrophen – eine unendliche Geschichte

Wien, 29. 4. 2019

Mißverständnisse sind keine Angelegenheit des Verstehens, als welche sie durch besseres Verstehen zu erledigen gehen müßten; sie sind ein Bestandteil des Gefühlslebens. Sie sind vorhanden, weil ein Bedürfnis nach ihnen besteht.[1]

Man käme mit dem Schreiben nicht hinterher, wollte man alle Beispiele für Bildungskatastrophen in Deutschland und Österreich dokumentieren. Deswegen beschränke ich mich hier auf besondere „Höhepunkte“, zwei davon waren in den letzten Wochen zu bestaunen. Den ersten Gipfel der Dummheit bilden das sogenannte „Rattengedicht“[2] und die darauf folgenden Reaktionen, das zweite „Meisterwerk“ stellt eine Karikatur der steirischen FPÖ-Jugend[3] samt der damit verbundenen Stellungnahmen dar.

Betrachtet man das Gedicht mit dem Titel „Die Stadtratte“ und die dadurch ausgelösten Diskussionen, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass viele Bürger in Österreich des sinnerfassenden Lesens nicht mächtig sind. So wird der Vorwurf erhoben, dass die FPÖ in diesem „Meisterwerk“ Migranten mit Ratten vergleiche.[4] Und das stimmt einfach nicht. Es wird im Gegenteil die Welt der Ratten mit jener der Menschen verglichen und Letzteren als Vorbild empfohlen. In der Welt der Ratten sei nämlich ganz selbstverständlich, was in der Menschenwelt derzeit nicht beherzigt werde, nämlich dass auch Gäste oder Migranten „die Art zu leben mit uns teilen“ und widrigenfalls „rasch von dannen eilen“. Man erkennt es gleich, es geht um das Thema „Anpassung“, die im Tierreich selbstverständlich sei und es deswegen auch bei den Menschen sein soll. Danach lässt der Verfasser dieses Gedichts seine Ratte einen Blick in die Menschenwelt werfen und entsetzt feststellen, dass diese Regel dort nicht gilt. Es werde eine Vermischung der Kulturen gefordert, die dem Autor schon deswegen unmöglich erscheint, weil er sich ja eine Vermischung der Sprachen und der Religionen auch nicht vorstellen kann. So weit, so schlecht.

Anstatt nun auf die Haltlosigkeit der Behauptung einzugehen, dass sich Kulturen, Sprachen und Religionen nicht „vermischen“ würden, stoßen sich die hiesigen Moralapostel an der Gleichsetzung von Menschen mit Ratten. Wenn das so verwerflich wäre, müsste man aber auch alle Fabeln verbieten, in denen bekanntlich Tiere in der Rolle von Menschen auftreten. Darüber hinaus werden hier auch nicht Migranten als Ratten beschimpft, sondern es wird wie gesagt die Rattenwelt der Menschenwelt als Vorbild präsentiert. Die Behauptung, Kulturen, Religionen und Sprachen seien streng voneinander abzugrenzen, blamiert sich ohnehin an einer Wirklichkeit, in der immer wieder bestimmte Elemente aus anderen Kulturen oder Sprachen übernommen werden – man denke nur an die vielen Anglizismen, die mittlerweile im deutschen Sprachraum in Gebrauch sind. Natürlich gibt es auch Erscheinungen anderer Kulturen, deren Übernahme sich eher nicht empfiehlt, die vielmehr nach Kritik verlangen, deswegen ist aber nicht jede Übernahme von Elementen anderer Kulturen von vornherein abzulehnen. Umgekehrt ist natürlich auch nicht alles nur deswegen gutzuheißen, weil es einer fremden Kultur entstammt. Gegen Letzteres wendet sich der Verfasser dieses Gedichtes und scheint es für besonders überzeugend zu halten, wenn dies auch aus der Perspektive der Rattenwelt als selbstverständlich erscheint. Mehr gibt es rein sachlich zu dem Inhalt dieses Machwerks nicht zu sagen, dass es in sprachlicher Hinsicht keineswegs einen Genuss darstellt, steht auf einem anderen Blatt.

So albern es auch ist, erfreut sich die Begründung menschlicher Verhaltensweisen mit jenen der Tiere großer Beliebtheit. Gerade Konservative meinen darin ein Fundament zu besitzen, auf welches menschliches Handeln zu gründen sei, weil es dadurch wieder geerdet und vor Hirngespinsten sowie Experimenten bewahrt werde. Dieser Gedanke hat vermutlich die dichterischen Ambitionen des Verfassers des „Rattengedichts“ hervorgebracht, auf die man gewiss verzichten kann. Umgekehrt wird die Tierwelt allerdings auch als Gegensatz zur Menschheit beschworen. So wird Gewalt häufig als bestialisch geächtet, als Einbruch einer ungezähmten Natur in die menschliche Zivilisation, die deren Niedergang herbeiführen könnte. Für Horkheimer und Adorno führt diese Zivilisation ohnehin wieder zum Niedergang der Menschheit, denn sie wirkt „vermöge der rationalisierten Arbeitsweisen auf die Erfahrungswelt der Völker und ähnelt sie tendenziell wieder der der Lurche an“.[5] An dieser Gleichsetzung der ganzen Menschheit mit einer nicht gerade hochgeschätzten Tierart hat sich jedoch niemand gestoßen.

Abschließend lässt sich daher über das „Rattengedicht“ festhalten, dass es eine schlecht durchdachte und ebenso schlecht geschriebene Kritik eines bedingungslosen Multikulti-Prinzips darstellt, nicht mehr und nicht weniger. Vielleicht ist ja heutzutage kaum noch jemand zu inhaltlicher Kritik imstande und erklärt sich die eingangs erwähnte Leseschwäche mit der Absicht, den Verfasser mundtot zu machen, indem man ihm die Verunglimpfung von Migranten als Ratten unterstellt, die keineswegs zutrifft.

Kommen wir nun zu dem nächsten Beispiel einer hierzulande unverkennbaren Unbildung, zu dem Plakat der steirischen FPÖ-Jugend. Dort sieht man ein Pärchen in ländlicher Tracht, das von eindeutig als Untermenschen präsentierten, hämisch und siegessicher grinsenden Migranten umzingelt ist. In der Mitte findet sich ein Spruchband mit den Worten: „Steiermark, berufen für das Schöne, nicht für Asylantenströme!“

Dieses Plakat ist mit Sicherheit keine Untermauerung der Behauptung, dass die Steiermark für das Schöne berufen sei. Solche offenkundig rassistischen Darstellungen von Migranten haben zu der Auffassung geführt, dass Kritik an deren Überzeugungen gar nicht sachlich begründet, sondern rassistisch motiviert sei. Im Zuge dessen kann man sich ja mittlerweile sicher sein, als Kritiker des Islams des Rassismus verdächtigt zu werden. Es ist also an diesem Plakat überhaupt nichts anderes als der Sachverhalt festzustellen, dass die Gegnerschaft der für dieses Plakat verantwortlichen Menschen allein auf rassistischen Motiven basiert. Mehr gibt es dazu einfach nicht zu sagen, denn sachliche Argumente werden ja mit keiner Silbe angeführt. Das angeblich Schöne der Steiermark wird durch Fremde, die hier nichts verloren haben, verschmutzt, diese Vorstellung suggeriert dieses Plakat.

Man fragt sich angesichts dieser offenkundigen Botschaft, weswegen Armin Wolf erst eine Karikatur der NS-Zeitschrift „Der Stürmer“ benötigt, um dahinterzukommen, was es damit auf sich hat. Er hat jedoch erklärt, dass er ursprünglich Herrn Vilimsky die Möglichkeit, sich von diesem Plakat zu distanzieren, geben und diesen erst im gegenteiligen Fall mit der „Stürmer“-Seite konfrontieren wollte. Schließlich sollte ihm Vilimsky erklären, worin sich die beiden Bilder unterscheiden würden.[6] Dass Letzterem dies schwerfallen würde, war angesichts des offenkundigen Rassismus beider Darstellungen unvermeidbar. Zwar hätte er schon von berechtigter inhaltlicher Kritik sprechen können, die in einem Bild veranschaulicht werden hätte sollen, das diesem Anliegen jedoch nicht gerecht werde, sondern schade. Stattdessen erklärte er es zu einer Sauerei, so eine nette Partei wie die FPÖ mit den bösen Faschisten auch nur in irgendeinen Zusammenhang zu bringen, gemäß dem Prinzip, dass es nur an Armin Wolf liegen könne, hier einen Zusammenhang erblicken zu wollen. Vielleicht ist es ja die Retourkutsche zur inflationären und billigen Anwendung der Faschismuskeule, dass Vilimsky die Bezugnahme auf den Faschismus als haltlose Frechheit hinstellen zu können meint, die sich von selbst disqualifizieren würde. In diesem Sinne ist wohl auch Ursula Stenzels Anschwärzung von Herrn Wolf zu betrachten, die dessen „Verhörton“ einem „Volksgerichtshof“ angemessen nannte.[7] Wir du mir, so ich dir, mag sich Stenzel hier wohl gedacht haben. In diesem Fall wusste auch der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer äußerst „überzeugend“ zu „argumentieren“, dass sich eine solche Gleichsetzung einfach nicht gehöre.[8] Das sei jedem klar, der aus der Geschichte gelernt habe, fügt Fischer großspurig hinzu, ohne auch nur einen Satz darüber zu verlauten, worin denn diese Lehre bestehen solle.

Man sieht also, wie sich in Österreich die Bildungskatastrophen der letzten Jahrzehnte auswirken: Kritik wird durch Geschrei und Verbote ersetzt. Und dass sich das so gehört, will man auch noch „aus der Geschichte“ gelernt haben …


[1] Peter Hacks: Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe, Berlin 20183, S. 67

[2] Die Presse, 23. 4. 2019; https://diepresse.com/home/innenpolitik/5616689/Braunauer-FPOeVizebuergermeister-tritt-nach-RattenGedicht-ab, aufgerufen am 29. 4. 2019

[3] https://mobil.krone.at/kmm__1/app__CORE/1911697, aufgerufen am 29. 4. 2019

[4] https://de.euronews.com/2019/04/22/hetzgedicht-rechtspopulistische-fpoe-vergleicht-migranten-mit-ratten, aufgerufen am 29. 4. 2019. Alle im Folgenden angeführten Zitate des „Rattengedichtes“ stammen aus dieser Quelle.

[5] Max Horkheimer/Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung, Frankfurt am Main 1988, S. 43

[6] Kurier, 29. 4. 2019; https://kurier.at/kultur/medien/armin-wolf-erklaert-wie-es-zum-stuermer-vergleich-kam/400478977, aufgerufen am 30. 4. 2019

[7] Der Standard, 26. 4. 2019; https://derstandard.at/2000102077916/Ursula-Stenzel-empoert-ueber-Armin-Wolfs-Vilimsky-Verhoer, aufgerufen am 30. 4. 2019

[8] Die Presse, 27. 4. 2019; https://diepresse.com/home/innenpolitik/5619118/FPOe-gegen-ORF_Heinz-Fischer-kritisiert-Ursula-Stenzel-fuer, aufgerufen am 30. 4. 2019


Leben und Tod

Wien, 28. 4. 2019

In dem Märchen Die Bremer Stadtmusikanten der Gebrüder Grimm lädt der Esel den Hahn ein, ihn und seine Gefährten nach Bremen zu begleiten, weil diesem der Tod im Kochtopf droht. „Etwas Besseres als den Tod findest du überall“,[1] lauten die Worte des Esels, die den Hahn ermuntern sollen, sich ihnen anzuschließen. Das scheint nicht immer zuzutreffen, wenn man bedenkt, dass Don Quijote auf die Prügel, die er und Sancho Pansa bezogen hatten, diesen mit den Worten tröstete: Es gibt „keinen Schmerz, den der Tod nicht heilte“.[2] Es gibt also offensichtlich Formen des Leidens, denen der Tod vorzuziehen ist, weil dieser wenigstens auch das Verschwinden dieser Leiden zur Folge hat.

Für Schopenhauer ist ohnehin Leben mit Leiden identisch. Die Menschen seien nämlich wie die übrige Natur von einem blinden Willen beherrscht, der permanent neue Wünsche in ihnen hervorbringe, die sie jedoch niemals dauerhaft befriedigen würden. Sie würden daher andauernd vom Streben nach Lust beherrscht, leiden unter deren Abwesenheit, können ihre Lust aber höchstens für kurze Zeit befriedigen. So streben die Menschen nach Sicherheit, um die Gefahr des Todes zu bannen, leiden jedoch schnell an Langeweile, wenn sich diese Sicherheit einstellt. Es erweist sich daher laut Schopenhauer das Leiden als grundlegendes Merkmal menschlicher Existenz, dem sich entnehmen lasse, dass diese Existenz eigentlich nicht wünschenswert ist: „Wenn man, so weit es annäherungsweise möglich ist, die Summe von Noth, Schmerz und Leiden jeder Art sich vorstellt, welche die Sonne in ihrem Laufe bescheint, so wird man einräumen, daß es viel besser wäre, wenn sie auf der Erde so wenig, wie auf dem Monde, hätte das Phänomen des Lebens hervorrufen können, sondern, wie auf diesem, so auch auf jener die Oberfläche sich noch im krystallinischen Zustande befände.“[3] An anderer Stelle sagt Schopenhauer nicht weniger deutlich: „Wenn daher des Uebeln auch hundert Mal weniger auf der Welt wäre, als der Fall ist; so wäre dennoch das bloße Daseyn desselben hinreichend, eine Wahrheit zu begründen, welche sich auf verschiedene Weise, wiewohl immer nur etwas indirekt ausdrücken läßt, nämlich, daß wir über das Daseyn der Welt uns nicht zu freuen, vielmehr zu betrüben haben: – daß ihr Nichtseyn ihrem Daseyn vorzuziehen wäre; – daß sie etwas ist, das im Grunde nicht seyn sollte; u. s. f.“[4]

Allerdings ist es nach Schopenhauer auch eine glückliche Fügung, ja eine Wohltätigkeit, dass mit zunehmendem Alter die Kräfte schwinden und der Tod daher nicht als Bedrohung, sondern als Erlösung erscheint: „Das Schwinden aller Kräfte im zunehmenden Alter, und immer mehr und mehr, ist allerdings sehr traurig: doch ist es nothwendig, ja wohlthätig: weil sonst der Tod zu schwer werden würde, dem es vorarbeitet.“[5] Er zieht daraus sogar den Schluss, dass dem Tod schließlich nicht mehr viel zu zerstören bleibe und ein letzter Schlummer genüge, damit der Tod eintritt.[6] Damit kommt er der Einsicht von Epikur nahe, dass das Verhältnis der Menschen zum Tod eigentlich kein großes Problem darstellt: „So ist also der Tod, das schrecklichste der Übel, für uns ein Nichts: Solange wir da sind, ist er nicht da, und wenn er da ist, sind wir nicht mehr. Folglich betrifft er weder die Lebenden noch die Gestorbenen, denn wo jene sind, ist er nicht, und diese sind ja überhaupt nicht mehr da.“[7] Für Schopenhauer gibt es daher vom Standpunkt der Erkenntnis „keinen Grund, den Tod zu fürchten: im Erkennen aber besteht das Bewußtseyn; daher für dieses der Tod kein Uebel ist“.[8]

Was allerdings mit jedem Menschen verschwindet, das ist die Welt, die er in seinem Herzen trägt, die Welt seiner Vorstellungen, von der Schopenhauer bereits festgestellt hat, dass sie die einzige Welt ist, von der wir wissen, denn jenseits unserer Vorstellungen gibt es für uns keine Welt und mit uns und unseren Vorstellungen verschwindet diese. Auch Erwin Schrödinger teilte laut Rudolf Taschner die Auffassung der Einmaligkeit jedes Menschen und seiner Vorstellungen, weswegen „die Welt, die das Ich erfährt, auf dieses eine ‚ich‘ sagende Bewusstsein zugeschnitten ist“. Das, so meint Taschner weiter, sei der Grund dafür, dass der Tod eines Menschen erschüttere, während umgekehrt die Geburt eines Menschen Anlass zur Freude sei: „Weil wir wissen, dass eine neue Welt entsteht.“[9] Aus diesem Grund opfert sich in Ewald Christian von Kleists Gedicht „Die Freundschaft“ Selin für seinen Freund Leander, als er bemerkt, dass das rettende Brett sie nicht beide trägt, auf das sie im Meer nach einem Schiffbruch stoßen. Sein Verlust wäre größer für die Welt, nämlich für seine Welt, da es für ihn eine Qual wäre, wenn er ohne den Freund weiterleben müsste. Dass er damit dem genauso empfindenden Freund zuvorkommt, die Vorsehung jedoch für die Rettung beider Schiffbrüchiger sorgt, ist der allein der Dichtung vorbehaltene versöhnliche Schluss, wie Taschner berichtet.

Es ist also weniger der eigene Tod, der unser Dasein belastet, als der Tod der anderen. Niemand hat das deutlicher und daher schöner zum Ausdruck gebracht als Mascha Kaléko in ihrem Gedicht Memento:

Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang,

Nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.

Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?

Allein im Nebel tast ich todentlang

Und laß mich willig in das Dunkel treiben.

Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.

Der weiß es wohl, dem gleiches widerfuhr;

– Und die es trugen, mögen mir vergeben.

Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,

Doch mit dem Tod der andern muß man leben.[10]

Vielleicht betrübt an der Vorstellung des eigenen Todes ja weniger das Ende des eigenen Daseins als der Umstand, dass man den Seinen nicht mehr beistehen kann, dass man um den Verlust weiß, den man diesen mit dem eigenen Ableben bereitet? Hier mag jedoch die nüchterne Betrachtung eines George Bernard Shaw hilfreich sein, der trocken festhält: „Do away with death and you do away with the need for birth: in fact if you went on breeding, you would finally have to kill old people to make room for young ones.“[11] Eine ähnliche Aussage findet sich bei jemandem, von dem man das vielleicht weniger erwartet hätte, nämlich bei Peter Rosegger: „Unsere Vorfahren haben uns Platz gemacht, haben das, was sie auf Erden errungen, uns zum Erbe hinterlassen. Dasselbe leisten wir den Nachkommen, welche in junger Liebe heute wohl weinen werden um uns, die sie – lebten wir auch nur um fünfzig Jahre länger – von der Erde vertilgen müßten.“[12] Halten wir es daher mit Epikur und nützen wir das Leben, das wir nur einmal leben, solange und so gut wir es können. Tragen wir unseren Vers zum Leben und zum Spiel der Mächte bei, wie Walter Whitman vorgeschlagen hat. Alles hat seine Zeit, auch das Leben und der Tod.


[1] Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen, Wien, o. J., S. 40 f.

[2] Miguel de Cervantes: Don Quijote, Würzburg 2006, S. 54

[3] Arthur Schopenhauer: Das Gesamtwerk. In chronologischer Reihenfolge, herausgegeben von Berthold Schwamm, Kindle E-Book, ohne Ort und Jahresangabe, Positionen 45955–45958 (Parerga und Paralipomena, Bd. 2, § 157)

[4] Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung, Zürcher Ausgabe, Bd. 2/2, Zürich 1977, S. 674 f.

[5] Arthur Schopenhauer: Das Gesamtwerk. In chronologischer Reihenfolge, a. a. O., Positionen 40304 f. (Parerga und Paralipomena, Bd. 1, Kapitel VI, Vom Unterschiede der Lebensalter)

[6] Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung, Bd. 2/2, a. a. O., S. 550; Volker Spierling: Kleines Schopenhauer-Lexikon, Ditzingen 2010, S. 219

[7] https://www.uni-hildesheim.de/~stegmann/epikur.htm, aufgerufen am 27. 4. 2019

[8] Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung, Bd. 2/2, a. a. O., S. 548

[9] Rudolf Taschner: Gerechtigkeit siegt – aber nur im Film, Kindle E-Book, Salzburg 2011, S. 182 f.

[10] Mascha Kaléko: Verse für Zeitgenossen, Reinbek bei Hamburg 2007, S. 9

[11] George Bernard Shaw: A Treatise on Parents and Children, in: The Collected Works of Bernard Shaw: The Complete Works, PergamonMedia, Kindle E-Book, ohne Ort und Jahr, Positionen 350–352; Übersetzung: Man entferne den Tod und man entfernt den Bedarf nach Geburt: Tatsächlich müsste man, wenn man mit der Fortpflanzung fortsetzte, schließlich alte Menschen töten, um Raum für junge zu schaffen.

[12] Peter Rosegger: Der Gottsucher, in: Gesammelte Werke, Kindle E-Book, e-artnow 2015, Positionen 11153–11156

Der skandalumwobene Herr Kickl

Wien, 15. 2. 2019

Vor einiger Zeit hat Herr Kickl wieder einmal den Unmut aller wohlmeinenden Menschen auf sich gezogen, die sich zur Verteidigung des Guten, Wahren und Schönen gegen dessen Angriffe berufen fühlen. Er hat nämlich eine Aussage getroffen, die so schlicht und einfach wie wahr ist, jedoch den guten Glauben, der über das hiesige Staatswesen herrscht, ins Mark erschüttert hat. Er hat es doch glatt gewagt, darauf hinzuweisen, dass das Recht der Politik folgt und nicht umgekehrt! Der Anlass für diese Ermahnung bestand darin, dass für geplante Umgangsweisen mit Asylwerbern gesetzliche Schranken bestehen, die er entfernen will. Er will Gesetzesänderungen durchführen, weil die bestehenden Gesetze möglicherweise ausgenutzt werden könnten, um Pläne wie etwa eine Anwesenheitspflicht krimineller Asylwerber in Transitzonen zu behindern. Selbst die Tageszeitung Die Presse zeigt sich irritiert und betont, dass die Notwendigkeit eines gesetzlichen Fundaments staatlichen Handelns im Bundesverfassungsgesetz festgehalten sei: „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grundlage der Gesetze ausgeübt werden.“[1]

So ist es, der Staat legt in den Gesetzen fest, welchen Zwecken die staatliche Gewalt dienen soll, deswegen will er das staatliche Handeln auf die Grundlage der Gesetze stellen. Niemand kann daher willkürlich den Staat für Zwecke einsetzen, wie sie ihm gerade einfallen oder nützlich erscheinen würden. Sieht der Staat sich neuen Herausforderungen gegenüber, die neue Regelungen für den Gebrauch seiner Macht erfordern, so wird er seine Gesetze so anpassen, wie er bzw. seine verantwortlichen Führer dies für notwendig halten. So ist erst kürzlich der Strafrahmen für Gewaltverbrechen erhöht worden, weil dies für notwendig gehalten wurde, auch wenn Zweifel darüber bestehen, ob diese Maßnahme tatsächlich zur Verhinderung solcher Verbrechen beitragen wird. Solche Zweifel sind daher geäußert worden, von einer Aufregung über die Anpassung der Gesetze bzw. des Rechts an politische Zwecke war hingegen nichts zu vernehmen.

Worin besteht nun der angebliche Skandal der Aussage von Herrn Kickl? Er hat ja nicht gesagt, dass er künftig vorhabe, bestehende Gesetze zu ignorieren und so zu handeln, wie er es für richtig halte. Ganz im Gegenteil will er an der gesetzlichen Ausrichtung staatlichen Handelns überhaupt nichts ändern, weil dadurch die Interessen des Staates seinen Handlungsträgern und Bürgern zur Vorschrift gemacht werden. Weil das so ist und er die Gesetzte bzw. das Recht weiterhin so gebrauchen will, will er diese Gesetze den geänderten Anliegen und Herausforderungen anpassen, mit denen er den Staat konfrontiert sieht. Ein Skandal ist dieses Vorhaben nur für jene Menschen, die der Auffassung sind, dass sich ein Staat in seinen Gesetzen Grenzen auferlege, die dafür sorgen würden, dass er von seiner Gewalt keinen „unmenschlichen“ oder „verbrecherischen“ Gebrauch mache. So wird ja bis zum heutigen Tag in den Schulen gelehrt, dass der Staat durch die Gewaltenteilung, also die Unabhängigkeit von Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung, vor einem Missbrauch der Staatsgewalt bewahre. Dadurch unterscheide sich schließlich ein demokratischer Staat von einer Diktatur und man könne ihm für diese vermeintliche Selbstbeschränkung gar nicht genug mit Gehorsam danken. So sei es für einen demokratischen Staat ganz wesentlich, dass er die Menschenrechte achte, während sich Diktaturen über diese je nach Bedarf hinwegsetzen würden. Wenn Kickl nun feststellt, dass das Recht der Politik zu folgen habe, dann stelle er damit die Unantastbarkeit der Menschenrechte in Frage und zeige nur allzu deutlich, welch finstere Absichten er verfolge.

Herr Kickl hat allerdings gar nicht vor, die Geltung der Menschenrechte anzutasten, und das spricht weder für diese noch für ihn. Zwar könnte ein Staat auch erklären, dass er ab nun die Menschenrechte nicht mehr berücksichtigen werde, die Frage ist nur, weswegen er dies tun sollte, wird er doch durch diese in keiner Weise an der Durchsetzung seiner Interessen gehindert. Wenn die USA als Weltordnungsmacht Nr. 1 ihr Militär zum Einsatz bringen, erklären sie diesen Gebrauch ihrer Gewalt doch zu einer Notwendigkeit für die Bewahrung der Menschenrechte. Dafür könne man der Weltmacht gar nicht genug danken und auch die Europäer sollten endlich einen ordentlichen Beitrag dazu leisten, hört man neuerdings von Trump. Jeder weiß zwar auch, dass die Durchsetzung der Menschenrechte „zufällig“ immer auch mit den politischen Interessen der USA verbunden ist. Das ist jedoch kein Einwand gegen die militärischen Maßnahmen der USA, sondern der Wunsch nach mehr davon. Nicht nur politische Gegner sollten demnach die USA gewaltsam zum Respekt vor den Menschenrechten bringen, sondern auch Verbündete, bei denen sie sich „leider“ nur auf scheinheilige Ermahnungen beschränken. Dabei ist für einen den Menschenrechten gemäßen Gebrauch der Staatsgewalt ohnehin nicht mehr als ein gesetzliches Fundament verlangt, das jede willkürliche, also unsachgemäße Gewaltanwendung ausschließt. In Notsituationen muss man allerdings auch einsehen können, dass nicht so genau auf einen ordnungsgemäßen Gewalteinsatz geachtet werden kann, auch wenn ein feindlicher Staat solches Verständnis nicht erwarten darf. Die entsprechenden „Kollateralschäden“ sind daher nur bei eigenen Handlungen oder bei verbündeten Staaten – erneut „leider“ – hinzunehmen, dienen doch auch diese letztlich der Durchsetzung der Menschenrechte. Und so folgt jedem legitimen, weil von den herrschenden Mächten ausgehenden oder anerkannten Gewaltgebrauch ein feierliches „Amen“!


[1] Die Presse, 23. 1. 2019: Asyl: „Recht muss Politik folgen, nicht Politik dem Recht“; https://diepresse.com/home/innenpolitik/5566984/Asyl_Recht-muss-Politik-folgen-nicht-Politik-dem-Recht, aufgerufen am 15. 2. 2019

Faire Mathematik-Matura und Ethikunterricht

Wien, 23. 1. 2019

Die österreichische Regierung hat die Absicht kundgetan, dem Nachwuchs einen Ethikunterricht[1] und eine faire Mathematik-Matura[2] zu spendieren. Sie gesteht damit auch ein, dass es sich bei der Mathematik-Matura seit der Einführung der Zentralmatura vor ungefähr vier Jahren um eine unfaire Angelegenheit gehandelt hat. Das ist wenig erstaunlich, hat man doch bereits während der Vorbereitungen der Zentralmatura in Lehrerkreisen vernommen, dass sich im Bereich „Mathematik“ einiges zusammenbraut. Eines der wesentlichen Probleme ist auch von Anfang an die Mehrdeutigkeit sprachlicher Formulierungen gewesen, weswegen es ein Anliegen dieser faireren Matura sein soll, für mehr Verständlichkeit zu sorgen. Dazu wäre es allerdings notwendig, solche Texte von Unbeteiligten prüfen zu lassen, denn dem Verfasser eines Textes fällt es nicht unbedingt auf, dass man seine Aussagen auch anders verstehen kann, hat er doch im Kopf, was er damit sagen wollte. Es ist daher sehr die Frage, ob das Anliegen, verständliche Texte zu produzieren, nicht an budgetären Grenzen scheitern wird.

Mein älterer Sohn gehörte zur ersten Schülergeneration, die mit der Zentralmatura beglückt wurde. Er hatte damit keine Probleme, war allerdings auch immer ein besonders guter Schüler in allen Fächern. Allerdings ist eine seiner Schulkolleginnen tatsächlich an dieser Mathematikmatura gescheitert und verfügt deswegen nicht über ein Maturazeugnis. Mathematik war nämlich nie die Stärke dieser Schülerin, aber es stellt sich hier wirklich die Frage, weswegen die Schwäche in diesem Fach zur Folge haben soll, dass man die Matura nicht schafft. Wenn gleichzeitig in Deutsch Abstriche bei Legasthenikern und Menschen mit Migrationshintergrund, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, gemacht werden, so ist die Frage zu stellen, weshalb bei Mathematik andere Maßstäbe gelten sollen. Sind die Kenntnisse der gehobenen Mathematik etwa Schlüsselqualifikationen wie die Beherrschung einer Sprache? Ist es etwa einzusehen, dass es Mathematiker gibt, die keine Ahnung von der Interpunktion haben und in ihren schriftlichen Äußerungen die „schönsten“ Grammatik- und Rechtschreibfehler aufweisen, aber dennoch als Lehrer tätig sein dürfen, während jemand nicht einmal die Matura erhält, bloß weil er mit schwierigen mathematischen Aufgaben seine Probleme hat?

Ein weiteres Problem der Mathematik-Matura zeigt sich darin, dass sie jedes Jahr entweder zu schwer oder zu leicht ausfällt. So gilt sie als zu schwer, wenn besonders viele Schüler daran scheitern, und als zu leicht, wenn es nur wenige sind. Man fragt sich zwar, weswegen Schüler scheitern sollen, denn man sollte doch annehmen, dass das Ziel einer Ausbildung darin besteht, dass alle Schüler den Anforderungen entsprechen, deren Bewältigung diese Ausbildung dient. Aber nehmen wir an dieser Feststellung des wechselnden Schwierigkeitsgrades der Mathematik-Matura ganz schlicht zur Kenntnis, dass es bisher vom Glück abhing, ob man eine schwere oder eine leichte Matura zu bewältigen hatte. Diese Unfairness will man nun offensichtlich abstellen und da passt es gut dazu, dass gleichzeitig wieder mehr Ethikunterricht angestrebt wird. Dort kann man dann lernen, dass Menschen nun einmal Fehler machen und dafür Nachsicht verdienen, auch wenn sie einem mittels unfairer Mathematik-Matura vielleicht die Lebensplanung ein wenig zunichte gemacht haben. Die Obrigkeit hat solche Nachsicht jedenfalls verdient, der Maturant, der Fehler macht, hingegen nicht. Der darf sich nun allerdings darüber freuen, dass er nachträglich und symbolisch Recht bekommt, wenn die Obrigkeit aus ihren Fehlern lernt, auch wenn er oder in diesem Falle sie selbst davon rein gar nichts mehr hat.

Im Übrigen ist der vom Staat festgestellte Bedarf nach mehr Ethikunterricht auch ein Eingeständnis darüber, wie sehr die Gesellschaft, über die er herrscht, von Gewalt geprägt ist. So haben die staatlichen Führer aus den immerhin bereits fünf Morden an Frauen in den letzten zwei Wochen den Schluss gezogen, dass es vielen Menschen an einem rechten Bewusstsein richtigen Handelns mangelt und daher entsprechender Erziehungsmaßnahmen bedarf. Seltsam ist nur, dass man solche Maßnahmen bei Kommunisten immerzu als Gewalt gegen die menschliche Natur verunglimpft hat, die man nun einmal so akzeptieren müsse, wie sie ist. Wieso sprach es eigentlich gegen diese, wenn sie Menschen in „Umerziehungslager“ brachten, wenn es beim Ethikunterricht eine feine Sache sein soll, Menschen von falschen Urteilen und Handlungsweisen abzubringen? Darüber hinaus wäre die Frage zu stellen, ob es nicht auch an den gesellschaftlichen Gegensätzen und den Formen ihrer Bewältigung liegt, wenn Gewalt immer wieder zum Einsatz kommt. Dann wäre Ethikunterricht nichts weiter als der Versuch, dafür Sorge zu tragen, dass die Menschen mit diesen Gegensätzen besser zurechtkommen. Im Fall von Frauenmördern, die ihre Frauen als Besitz betrachten, die sich nicht ihrer Verfügungsgewalt zu entziehen und daher in diesem Fall ihr Leben verwirkt haben, sind diese Gegensätze wohl nicht unbedingt gesellschaftlicher Natur, sondern in den falschen Urteilen der Täter angelegt. Andererseits haben solche Auffassungen auch mit dem Anspruch an die Familie zu tun, ein Ort des absoluten Zusammenhalts und der Kompensation der „harten“ Arbeit in einer unbarmherzigen Konkurrenzgesellschaft zu sein. Da ist es dann äußerst fraglich, ob ein Ethikunterricht solche Morde verhindern oder nicht sogar fördern könnte, wenn nämlich das potentielle Opfer in den Augen des Mörders gegen die Anforderungen einer ethisch einwandfreien Lebensführung verstoßen hat. Über diese Widersprüche der moralischen Gesinnung, denen ein Ethikunterricht auch nicht beikommen wird, hat bereits Hegel wesentliche Einsichten hervorgebracht, wie man in meinem Buch „Ewig lockt die Bestie“ nachlesen kann.


[1] Kurier, 20. 1. 2019; https://kurier.at/politik/inland/teure-idee-ethik-unterricht-fuer-alle-scheitert-am-budget/400383515, aufgerufen am 22. 1. 2019

[2] Die Presse, 20. 1. 2019; https://diepresse.com/home/bildung/schule/5565590/Mathematura-soll-Ende-Jaenner-fairer-werden, aufgerufen am 22. 1. 2019

Bundeskanzler Sebastian Kurz:

Kampf dem Defätismus!

Wien, 21. 1. 2019

In einem Interview mit der Zeitung Welt am Sonntag beklagt Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz einen zaudernden Umgang mit den Herausforderungen neuer technologischer Entwicklungen: „Wann immer wir etwas Neues angehen, dann fokussieren wir uns zu stark auf die Risiken und auf ihre Beherrschung, statt die Chancen im Blick zu behalten. Das Ergebnis ist Überregulierung, die Innovationen hemmt.“[1] Kurz spricht seinen Landleuten also Mut zu, er fordert sein Volk auf, Veränderungen nicht als Risiko, sondern als Chance zu betrachten und anzugehen. Diesem Aufruf will ich mich natürlich nicht verschließen und daher Mut zu gesellschaftlichen Veränderungen machen. Wie wäre es denn mit einer kommunistischen Revolution? Falls manche unter Ihnen befürchten, dann im Gulag zu landen, so überlegen Sie doch, ob diese Furcht nicht nur Ihre Mutlosigkeit widerspiegelt. Warum sehen Sie es denn nicht als Chance, im Gulag neue Erfahrungen zu machen und als Persönlichkeit zu wachsen? Vielleicht ist die damit verbundene körperliche Ertüchtigung genau das, was Ihre Gesundheit braucht und wozu Sie bisher auch Ihr teurer persönlicher Fitnesstrainer nicht richtig motivieren konnte! Und überlegen Sie nur, welche Möglichkeiten sich bieten würden, um bestimmten Personen im Gulag die Grundlagen der Ethik beizubringen!

Falls Ihnen das doch ein wenig zu viel der Umstellung sein sollte, schlage ich als Kompromiss die flächendeckende Einführung der 30-Stunden-Woche vor. Da kann man bei Ausnutzung des 12-Stunden-Tages ja bereits einen Tag nach dem ehemaligen Wiener Bürgermeister Michael Häupl am Mittwoch ungefähr zur Mittagszeit heimgehen! Und den Unternehmern, die sich bei solchen Vorschlägen gleich vom Untergang bedroht sehen, möchte ich vorschlagen, hier die Durchsetzungsfähigkeit und Innovationsgabe einzubringen, für die sie sich so gerne rühmen! Ist es nicht nur eine Sache der Erwartungshaltung, wenn die schlechten Resultate tatsächlich eintreffen, die befürchtet wurden? Sind diese Entwicklungen nicht nur sich selbst erfüllende Prophezeiungen eines mutlosen Geistes, der immer an der Tür verharrt und sich nicht hinauszugehen traut, ganz wie Nietzsche diesen beschrieben hat?

„Die Schwäche soll zum Verdienste umgelogen werden […] und die Ohnmacht, die nicht vergilt, zur ‚Güte‘; die ängstliche Niedrigkeit zur ‚Demut‘; die Unterwerfung vor denen, die man haßt, zum ‚Gehorsam‘ (…). Das Unoffensive des Schwachen, die Feigheit selbst, an der er reich ist, sein An-der-Türstehn, sein unvermeidliches Warten-müssen kommt hier zu guten Namen, als ‚Geduld‘, es heißt auch wohl die Tugend (…).“[2]

Genau, Feigheit und Schwäche sollen nicht zur verantwortungsbewussten Abwägung von Risiken und Folgen umgelogen werden! Solcher Defätismus führt genau die Kriegsniederlagen herbei, die er befürchtet, diesen Schluss hat doch schon Hitler aus der Niederlage im Ersten Weltkrieg gezogen und ist bei dessen Bekämpfung wieder an seinen Landsleuten gescheitert, nachdem auch der Zweite Weltkrieg mit einer Niederlage für Deutschland endete – oder?! Auch Angela Merkel hat ja für positive Stimmung und einen entsprechenden Willen sorgen wollen, als sie mit ihrem berüchtigten „Wir schaffen das!“ zur Aufnahme von Migranten aufmuntern wollte. Da war Herr Kurz überhaupt nicht dazu bereit, neue Chancen zu erblicken, sondern sorgte sofort für die entsprechende Regulierung, die er keineswegs einer Überregulierung verdächtigte, sondern als „Schließung der Balkanroute“ rühmte.

Am Abend des Tages, an dem diese Aussage von Sebastian Kurz in den Medien zu finden war, konnte ein weiteres Beispiel dieses Defätismus studiert werden. Es lief der Film Jurassic World auf ORF 1, womit sich zeigt, dass diese Krankheit nicht auf Europa beschränkt ist, da es sich hier um eine Produktion aus den USA handelt. Darin geht gemäß Murphys Gesetz alles schief, was nur schiefgehen kann. Und hier werden überdies die Unkenrufer auch noch als jene bestätigt, deren Mutlosigkeit sich als realistisch erweist! Die Wagemutigen stehen hingegen als verantwortungslose Größenwahnsinnige da, die wie Kinder die Augen vor den Gefahren verschließen und wie Goethes Zauberlehrling die Geister, die sie riefen, nicht mehr loswerden.

Aber zurück zu Bundeskanzler Kurz: Es mag ja in dieser Allgemeinheit durchaus zutreffen, dass jede Veränderung Risiken und Chancen aufweist, nur kann man auch in dieser Allgemeinheit nicht dafür eintreten, mehr Augenmerk auf die Chancen als auf die Risiken zu legen oder umgekehrt. Das entspricht nämlich dem Versuch, ohne Argument für Veränderungen deswegen einzutreten, weil man sich diese wünscht und jedem noch so begründeten Einwand gegen sie den Wind aus den Segeln nehmen will, indem man diese als zögerliche, defätistische Haltung brandmarkt. Im Falle der technologischen Entwicklungen, von denen Kurz hier vermutlich spricht, geht es auch nicht um mögliche Risiken, sondern um gezielte Vorhaben, die ganz klar zum Nutzen der einen und zum Schaden der anderen wirken. Schließlich sind Lohnabhängige, wie es diese Bezeichnung schon deutlich offenbart, vom Lohn abhängig, den ihnen die Eigentümer der Produktionsstätten aber nur dann zahlen, wenn sie ihre Dienste benötigen und sich diese für sie lohnen. Wenn Produktivitätssteigerungen durch neue Technologien stattfinden, führen diese daher dazu, dass weniger Lohnabhängige die gleiche Gütermenge oder sogar mehr produzieren können und daher jene überflüssig werden, die sich dafür nicht mehr lohnen. Sie verlieren mit dem Lohn ihre Existenzgrundlage und befürchten daher diesen Effekt technologischer Entwicklungen, die in einer kommunistischen Gesellschaft sehr erwünscht wären, da sie den Aufwand zur Versorgung der Bevölkerung verringern und dadurch dieser mehr Zeit zur Pflege intellektueller, gesellschaftlicher und kultureller Bedürfnisse einbringen würden.

Kanzler Kurz wirbt nun dafür, diese mit Gewissheit für Lohnabhängige eintretenden Schäden ganz prinzipiell zu ignorieren und als Chance zu nehmen. Schließlich kann dadurch das Kapital seine Marktanteile auf Kosten der Konkurrenz erhöhen und so dafür sorgen, dass die fälligen Arbeitslosen im Ausland anfallen statt in der „Heimat“. Irgendwann kann man dann wieder auf die Griechen oder andere Staaten böse sein, wenn diese in der Konkurrenz derart unterlegen sind, dass sie als Absatzmarkt ganz auszufallen drohen.

Vielleicht kann man den auf diese Weise vermehrten Kapitalreichtum ja auch bald mit neuen Dienstleistungen beglücken, denn Hauspersonal zur Pflege des vergrößerten Wohnraums und neuen Grundbesitzes wird dann womöglich vermehrt in Anspruch genommen. Solches Bedürfnis verfügt dann auch gewiss über genügend willige Hände, deren Nutzung für diese Dienste wohl nicht zu teuer ist – und mehr als benutzt zu werden und darüber sein Leben erhalten zu können, darf wohl nicht verlangen, wer immer nur das Risiko und nie die Chancen zu erkennen vermag.


[1] Kronen Zeitung, 20. 1. 2019, https://www.krone.at/1847230, aufgerufen am 21. 1. 2019

[2] Friedrich Nietzsche: Zur Genealogie der Moral, in: Ders.: Werke in drei Bänden, Bd. 3, herausgegeben von Karl Schlechta, München 1954, S. 791


Bildungskatastrophen am Beispiel politischer Diskussionsbeiträge

Wien, 8. 1. 2019

In letzter Zeit sind einige Stellungnahmen zu vernehmen, die es sich mit ihrer „Kritik“ bemerkenswert einfach machen und so für die Verbreitung des falschen Urteils sorgen, dass Kritik eine einfache Angelegenheit sei, die jeder beherrsche. Ein Beispiel dafür ist das Video der SPÖ[1] zur Kritik der Regierungskoalition von ÖVP und FPÖ, worin das Rezept für deren politischen Erfolg bloßgestellt werden soll. So lautet der erste Tipp für eine erfolgreiche schwarz-blaue Regierung: „Finde eine Minderheit und mach sie zum Sündenbock.“ Man erfährt nicht einmal, weshalb diese Suche so einfach sei und wofür diese Minderheit zum Sündenbock gemacht werde. Es handelt sich daher bei dieser Aussage um eine inhaltslose Kritik, um eine leere Formel, die auf alles und jeden passt. Oder könnte man etwa nicht auch die Empörung über Banken, die vom Staat mit Milliarden vor der Pleite gerettet werden, als Anprangerung von Minderheiten bezeichnen? Oder wie wäre es mit multinationalen Konzernen, die sich um Steuerschonung bemühen? Tritt etwa die SPÖ für eine Kritik der Gesellschaftsordnung ein, sodass ihr die Kritik solcher Minderheiten zu kurz greift? Dann würde sich allerdings die Frage stellen, weshalb man sich um die Führung einer Gesellschaftsordnung bemüht, wo doch deren Kritik angebracht wäre. Kritik besteht schließlich nicht unbedingt darin, das Kritisierte besser zu machen, sondern kann auch zu dem Schluss kommen, dass der kritisierte Gegenstand beseitigt werden muss. Das hängt eben ganz vom Inhalt dieser Kritik ab. Oder wie sollte man etwa ein Konzentrationslager kritisieren, wenn man es verbessern und nicht beseitigen wollte? Würde eine solche „Konstruktive Kritik“ Vorschläge für eine effiziente Vernichtung „unwerten Lebens“ machen und für eine sachgerechte Bestimmung der Menschen, deren Leben als unwert zu gelten habe, eintreten?

Es ist schon bemerkenswert, wie einfach es sich die SPÖ mit dem Schlagwort vom „Sündenbock“ hier macht. Denn eine ordentliche Kapitalismuskritik will sie dem ja nicht entgegensetzen, sondern für die Aufrechterhaltung der bestehenden Verhältnisse sorgen, denen nur eines fehlen würde, nämlich die Führung der SPÖ. Diese würde demnach nicht die „Wirtschaft“, von deren Gedeihen das gesamte gesellschaftliche Leben abhängt, entlasten, um stattdessen die Kinder zu belasten? Dies wirft sie der schwarz-blauen Regierung nämlich mit folgenden Worten vor: „Geht’s der Wirtschaft gut? Super! Entlaste sie weiter und spar’ stattdessen bei Kindern ein!“ Das ist leider nur folgerichtig, wenn vom Erfolg kapitalistischen Wachstums das Leben aller abhängt und daher auch das Leben von Kindern nur in dem Maße über Mittel verfügt, in dem ihre Eltern an diesem Wachstum partizipieren. Es ist hier überhaupt kein Unterschied zwischen einer schwarz-blauen und einer roten Regierung auszumachen und daher reine Heuchelei, wenn die SPÖ dieses Verfahren anprangert.

Zum Schluss dieses Videos wird der Gipfel der Blödheit erreicht, denn der letzte Tipp lautet: „Spalte die Gesellschaft, denn nur gemeinsam ist sie stark.“ Dieses imaginäre Subjekt namens „Gesellschaft“, das einen Staat überflüssig machen würde, wenn es denn existierte, ist der angebliche Gegner, dessen Spaltung und Schwächung die zu Beginn des Videos erwähnten Sündenböcke dienen würden. Für eine starke Gesellschaft als Basis einer starken Nation sind konservative Politiker übrigens genauso. Sie wollen das Volk, dieses von sich aus zu keinerlei Handlung fähige und daher imaginäre Gebilde, das nur unter staatlicher Anleitung in Erscheinung tritt, zu ihrer Verfügung haben und daher ihrer staatlichen Führung unterworfen wissen. Unerwünschte Migration können sie hier nicht gebrauchen, denn genau darin, dass sie an dieser keinen Bedarf haben, besteht ja die Ursache ihrer Unerwünschtheit. Deswegen verhält es sich auch nicht so, dass konservative Politiker sich einen Sündenbock zur Volksbetörung suchen würden, wenn sie nicht selbst davon überzeugt wären, dass dieser „Sündenbock“ ohne Nutzen für ihre aktuellen politischen Zielen sei und daher hier nichts verloren habe. Deswegen ist die schwarz-blaue Regierung an einer Reduktion der Einwanderung nach Österreich interessiert und nicht deshalb, weil man eine gespaltene Gesellschaft so wunderbar beherrschen könne, wo doch gerade die Gefährdung des soziales Friedens als Beeinträchtigung staatlicher Herrschaft beklagt wird. Wollte man diese Stellung zu Migranten kritisieren, so müsste man schon die Zwecke einer politischen Herrschaft kritisieren, die der SPÖ hingegen ein solches Anliegen ist, dass sie diese nur in ihren Händen gut aufgehoben glaubt.

Ein weiteres Beispiel dafür, wie die einfachsten Anforderungen einer Kritik hierzulande unbekannt sind, stellt die Reaktion auf die Aussagen des SPÖ-Gesundheitsstadtrats Peter Hacker dar. Dieser setzte den Plan zur Erhebung des Migrationshintergrundes von Mindestsicherungsbeziehern mit Nazimethoden gleich, da es eine solche systematische Abfrage einer Behörde zuletzt im Dritten Reich gegeben habe. Später legte er noch nach und meinte, dass diese Feststellung noch zu harmlos sei und „es sich in Wahrheit um einen Ariernachweis handle“.[2] Nun ist selbst Hacker bekannt, dass für Mindestsicherungsbezieher keine Einweisung in ein Ghetto oder ein Konzentrationslager vorgesehen ist, selbst wenn diese einen Migrationshintergrund aufweisen. Aber nicht einmal dieser einfache Einwand ist den Repräsentanten der österreichischen Regierung gegen diese Gleichsetzung eingefallen. Sie sprechen vielmehr von einem Skandal, der sich offensichtlich von selbst verstehe, da sie von der Güte ihres demokratischen Staatswesens so überzeugt sind, dass sogar jeglicher Vergleich mit dem NS-Staat sich für sie von vornherein verbietet. Dabei könnte man die Erhebung des Migrationshintergrundes bei Mindestsicherungsbeziehern auch ganz schlicht als Überprüfung der Frage betrachten, ob es hier einen Zusammenhang gebe. Darüber hinaus könnte es sein, dass die so gewonnenen Erkenntnisse zur Erhebung eines speziellen Förderungsbedarfs für Personen mit Migrationshintergrund genutzt werden sollen. Aber auch solche Klarstellungen habe zumindest ich von Regierungsseite nicht vernommen, denn hier macht man es sich ebenso einfach mit der Entgegnung wie Herr Hacker mit seiner Kritik: Dessen Behauptung schlicht und einfach zurückzuweisen, müsse wohl reichen!

Den Abschluss dieser kleinen Besichtigung der Bildungskatastrophen politischer Eliten in Österreich bildet die Aussage von Alev Korun, der zufolge illegale Migration zu dulden sei, da die Juden dem Holocaust auch mit gefälschten Identitäten und mit der Unterstützung von Fluchthelfern, die demnach den Schleppern von heute entsprechen, entkommen seien.[3] Selbst hier wird nicht argumentiert, dass es nirgendwo eine Massenverfolgung gibt, vor welcher Migranten die Flucht ergreifen würden. Es kritisiert auch niemand das Verfahren, aus der Verwendung derselben Methoden zur Überwindung staatlicher Grenzen auf die Identität der Fluchtursachen zu schließen, obgleich die Juden diese zur Flucht aus Nazi-Deutschland, also zur Auswanderung benutzten, während Migranten dieser Tage damit die Einwanderung in Europa zu erreichen suchen. Wieder genügt die Überzeugung von der Vortrefflichkeit der hiesigen Herrschaft als „Beweis“ dafür, dass sich solche Gleichsetzungen mit dem Holocaust einfach nicht gehören. Davon abgesehen kann man die Flucht der Juden vor den Faschisten auch deswegen nicht mit den Migranten der Gegenwart gleichsetzen, weil diese bekanntlich nicht selbst über die finanziellen Mittel zur Behauptung einer bürgerlichen Existenz verfügen, sondern auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, die viele Menschen in einer ähnlichen sozialen Lage für das Motiv ihrer Migration halten. Solche Betreuungsmaßnahmen, wie erbärmlich diese auch immer sein mögen, waren für Juden nicht vorgesehen, dennoch hatten die übrigen Staaten kein Interesse an ihrer Aufnahme. Es ist nämlich auch im Falle der vor dem Holocaust fliehenden Juden nicht anders gewesen als heute, dass sich der Umgang mit Migranten nicht an deren Notsituation orientiert, sondern vom staatlichen Interesse an diesen abhängt. Das ist auch Korun so klar, dass sie den heutzutage unangreifbar scheinenden Fluchtgrund „Holocaust“ für Migrationsbewegungen in Anspruch zu nehmen sucht, auf die dieses Fluchtmotiv offensichtlich nicht zutrifft, weshalb der übliche „shitstorm“ unvermeidlich ist. Hier bringt es auch nichts, den Umgang mit Migranten zu beklagen, ohne sich die Zwecke einer politischen Herrschaft zu erklären, zu deren Herrschaft die Entscheidung darüber gehört, was sie als Notlage anerkennt und was nicht. Diese Erklärung würde zu der Einsicht verhelfen, dass nicht nur der Umgang mit Migranten, sondern das Faktum der Migration selbst eine imperialistische Weltordnung offenbart, die es abzuschaffen gilt.


[1] Kleine Zeitung vom 8. 12. 2018, https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/5543356/Kampf-der-Videos_Das-ist-die-FPOeAntwort-auf-SPOeKurzfilm

[2] Kurier, 15. 12. 2018, https://kurier.at/chronik/wien/mindestsicherung-weiter-aufregung-um-hacker-aussagen/400360724

[3] Kronen Zeitung, 20. 12. 2018, https://www.krone.at/1830391