Der skandalumwobene Herr Kickl

Der skandalumwobene Herr Kickl

Wien, 15. 2. 2019

Vor einiger Zeit hat Herr Kickl wieder einmal den Unmut aller wohlmeinenden Menschen auf sich gezogen, die sich zur Verteidigung des Guten, Wahren und Schönen gegen dessen Angriffe berufen fühlen. Er hat nämlich eine Aussage getroffen, die so schlicht und einfach wie wahr ist, jedoch den guten Glauben, der über das hiesige Staatswesen herrscht, ins Mark erschüttert hat. Er hat es doch glatt gewagt, darauf hinzuweisen, dass das Recht der Politik folgt und nicht umgekehrt! Der Anlass für diese Ermahnung bestand darin, dass für geplante Umgangsweisen mit Asylwerbern gesetzliche Schranken bestehen, die er entfernen will. Er will Gesetzesänderungen durchführen, weil die bestehenden Gesetze möglicherweise ausgenutzt werden könnten, um Pläne wie etwa eine Anwesenheitspflicht krimineller Asylwerber in Transitzonen zu behindern. Selbst die Tageszeitung Die Presse zeigt sich irritiert und betont, dass die Notwendigkeit eines gesetzlichen Fundaments staatlichen Handelns im Bundesverfassungsgesetz festgehalten sei: „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grundlage der Gesetze ausgeübt werden.“[1]

So ist es, der Staat legt in den Gesetzen fest, welchen Zwecken die staatliche Gewalt dienen soll, deswegen will er das staatliche Handeln auf die Grundlage der Gesetze stellen. Niemand kann daher willkürlich den Staat für Zwecke einsetzen, wie sie ihm gerade einfallen oder nützlich erscheinen würden. Sieht der Staat sich neuen Herausforderungen gegenüber, die neue Regelungen für den Gebrauch seiner Macht erfordern, so wird er seine Gesetze so anpassen, wie er bzw. seine verantwortlichen Führer dies für notwendig halten. So ist erst kürzlich der Strafrahmen für Gewaltverbrechen erhöht worden, weil dies für notwendig gehalten wurde, auch wenn Zweifel darüber bestehen, ob diese Maßnahme tatsächlich zur Verhinderung solcher Verbrechen beitragen wird. Solche Zweifel sind daher geäußert worden, von einer Aufregung über die Anpassung der Gesetze bzw. des Rechts an politische Zwecke war hingegen nichts zu vernehmen.

Worin besteht nun der angebliche Skandal der Aussage von Herrn Kickl? Er hat ja nicht gesagt, dass er künftig vorhabe, bestehende Gesetze zu ignorieren und so zu handeln, wie er es für richtig halte. Ganz im Gegenteil will er an der gesetzlichen Ausrichtung staatlichen Handelns überhaupt nichts ändern, weil dadurch die Interessen des Staates seinen Handlungsträgern und Bürgern zur Vorschrift gemacht werden. Weil das so ist und er die Gesetzte bzw. das Recht weiterhin so gebrauchen will, will er diese Gesetze den geänderten Anliegen und Herausforderungen anpassen, mit denen er den Staat konfrontiert sieht. Ein Skandal ist dieses Vorhaben nur für jene Menschen, die der Auffassung sind, dass sich ein Staat in seinen Gesetzen Grenzen auferlege, die dafür sorgen würden, dass er von seiner Gewalt keinen „unmenschlichen“ oder „verbrecherischen“ Gebrauch mache. So wird ja bis zum heutigen Tag in den Schulen gelehrt, dass der Staat durch die Gewaltenteilung, also die Unabhängigkeit von Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung, vor einem Missbrauch der Staatsgewalt bewahre. Dadurch unterscheide sich schließlich ein demokratischer Staat von einer Diktatur und man könne ihm für diese vermeintliche Selbstbeschränkung gar nicht genug mit Gehorsam danken. So sei es für einen demokratischen Staat ganz wesentlich, dass er die Menschenrechte achte, während sich Diktaturen über diese je nach Bedarf hinwegsetzen würden. Wenn Kickl nun feststellt, dass das Recht der Politik zu folgen habe, dann stelle er damit die Unantastbarkeit der Menschenrechte in Frage und zeige nur allzu deutlich, welch finstere Absichten er verfolge.

Herr Kickl hat allerdings gar nicht vor, die Geltung der Menschenrechte anzutasten, und das spricht weder für diese noch für ihn. Zwar könnte ein Staat auch erklären, dass er ab nun die Menschenrechte nicht mehr berücksichtigen werde, die Frage ist nur, weswegen er dies tun sollte, wird er doch durch diese in keiner Weise an der Durchsetzung seiner Interessen gehindert. Wenn die USA als Weltordnungsmacht Nr. 1 ihr Militär zum Einsatz bringen, erklären sie diesen Gebrauch ihrer Gewalt doch zu einer Notwendigkeit für die Bewahrung der Menschenrechte. Dafür könne man der Weltmacht gar nicht genug danken und auch die Europäer sollten endlich einen ordentlichen Beitrag dazu leisten, hört man neuerdings von Trump. Jeder weiß zwar auch, dass die Durchsetzung der Menschenrechte „zufällig“ immer auch mit den politischen Interessen der USA verbunden ist. Das ist jedoch kein Einwand gegen die militärischen Maßnahmen der USA, sondern der Wunsch nach mehr davon. Nicht nur politische Gegner sollten demnach die USA gewaltsam zum Respekt vor den Menschenrechten bringen, sondern auch Verbündete, bei denen sie sich „leider“ nur auf scheinheilige Ermahnungen beschränken. Dabei ist für einen den Menschenrechten gemäßen Gebrauch der Staatsgewalt ohnehin nicht mehr als ein gesetzliches Fundament verlangt, das jede willkürliche, also unsachgemäße Gewaltanwendung ausschließt. In Notsituationen muss man allerdings auch einsehen können, dass nicht so genau auf einen ordnungsgemäßen Gewalteinsatz geachtet werden kann, auch wenn ein feindlicher Staat solches Verständnis nicht erwarten darf. Die entsprechenden „Kollateralschäden“ sind daher nur bei eigenen Handlungen oder bei verbündeten Staaten – erneut „leider“ – hinzunehmen, dienen doch auch diese letztlich der Durchsetzung der Menschenrechte. Und so folgt jedem legitimen, weil von den herrschenden Mächten ausgehenden oder anerkannten Gewaltgebrauch ein feierliches „Amen“!


[1] Die Presse, 23. 1. 2019: Asyl: „Recht muss Politik folgen, nicht Politik dem Recht“; https://diepresse.com/home/innenpolitik/5566984/Asyl_Recht-muss-Politik-folgen-nicht-Politik-dem-Recht, aufgerufen am 15. 2. 2019

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