Der Imperialismus seit 1945
Grundzüge der Entwicklung ohne Anspruch auf Vollständigkeit
Die USA haben es verstanden, ihre strategisch günstige Position während der beiden Weltkriege zu ihrem Vorteil zu nutzen. Günstig war und ist diese Position schon deshalb, weil die USA keinen feindlich gesinnten Staat in ihrer Nähe haben, da sie im Osten und im Westen riesige Ozeane von potentiellen Gegnern in Europa oder Asien trennen. Was das betrifft, sind die USA sehr anspruchsvoll, im Grunde dulden sie weltweit keinen Gegner, wie die Kriege gegen Korea und Vietnam zur Genüge beweisen. Sobald sich ein Staat in Südamerika nicht mehr kooperativ zeigt, wie derzeit Venezuela, kann er sich der Feindschaft der USA sicher sein, die solche Staaten mit Wirtschaftsboykotten und der Förderung von Aufständen gegen deren Führung wieder gefügig machen, so in der jüngeren Vergangenheit z. B. Chile. In Kuba haben es die USA zunächst 1961 mit der Invasion in der Schweinebucht versucht, aus deren Scheitern jedoch gelernt, dass militärische Missionen nur dort durchzuführen sind, wo der Sieg aufgrund militärischer Überlegenheit von vornherein feststeht, also in Libyen, Irak und Afghanistan. In allen anderen Fällen wird hingegen mit Wirtschaftssanktionen und Stellvertreterkriegen geantwortet, die zwar die militärische Ausrüstung der USA benötigen, den Verlust an Menschen aber dem Stellvertreter aufbürden, so den Gegnern Assads in Syrien, aus denen sich zum Leidwesen der USA dann der Islamische Staat (IS) bildete, oder derzeit seit mehr als zwei Jahren den Menschen der Ukraine, die nicht reich genug sind, um sich durch Bestechung dem Militärdienst zu entziehen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die USA die nahezu unangefochtene imperialistische Ordnungsmacht, deren Grenzen allein im sogenannten Ostblock bestanden, der sich dem Anspruch der USA auf die weltweite Geltung ihrer Ordnung deshalb widersetzen konnte, weil auch die Sowjetunion mit der Atombombe über die ultimative Vernichtungswaffe verfügte. Bereits nach dem Ersten Weltkrieg hatten die USA Großbritannien als führende imperialistische Macht abgelöst und die Friedensverhandlungen in Frankreich maßgeblich bestimmt, ihre Herrschaft war jedoch noch nicht so deutlich wie nach dem Zweiten Weltkrieg, der sonst auch nicht stattgefunden hätte. Nachdem die Bemühungen, Deutschland als imperialistischen Konkurrenten auszuschalten, zum „Schandfrieden“ von Versailles geführt hatten, wollte die US-Führung nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings nicht den Morgenthau-Plan durchsetzen, der aus Deutschland einen Agrarstaat ohne jede militärische Stärke gemacht hätte. Zur Eindämmung der Sowjetunion, die sich des Ostens von Deutschland bemächtigt hatte, bedurfte es in Westdeutschland eines wehrfähigen Frontstaats, der ohne Schwerindustrie nicht zu haben war. Das war ja auch in der Sowjetunion unter Stalin der Grund für die Enteignung der Bauern gewesen, weil deren Kleinfelderwirtschaft den Einsatz von Traktoren nicht ermöglicht hätte, auf den sich die Landwirtschaft aber allein deswegen stützen sollte, weil die für deren Produktion notwendigen Industrieanlagen sich auch bestens für die Erzeugung von Rüstungsgütern eigneten.
Konrad Adenauer, von 1949 bis 1963 der erste Bundeskanzler Westdeutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, war sich dessen bewusst, dass Deutschland nur in seiner Eignung als Frontstaat wieder imperialistische Bedeutung und Macht erlangen konnte und lehnte daher Stalins Angebot einer Wiedervereinigung mit Ostdeutschland ab, weil diese den Preis der Neutralität verlangt hätte. Von Stalins Projekt einer neutralen Pufferzone zwischen Ost- und Westeuropa ist daher allein die Neutralität Österreichs übrig geblieben, eines Kleinstaates, der seit dem Untergang des Habsburgerreiches keine „weltpolitische Bedeutung“, wie der imperialistische Rang einer Nation euphemistisch bezeichnet wird, mehr hatte. Darüber hinaus kam es nun dem US-Kapital gerade recht, dass ganz Europa und vor allem Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört waren, denn so konnte das US-Kapital eine Überakkumulationskrise vermeiden, indem der Marshallplan die Bedingungen seines Wachstums durch Kapitalexport schuf. Somit war Westdeutschland sowohl für das Wachstum des US-Kapitals als auch als Frontstaat gegen den kommunistischen Ostblock von Nutzen und daher wurde ihm diesmal kein „Schandfrieden“ aufgezwungen, der ihm jede Hoffnung auf eine Wiedererlangung imperialistischer Wirkungsmacht genommen hätte. Nun hatte es die Perspektive, im Kampf gegen die Sowjetunion gebraucht zu werden und darüber eine Entfaltung seiner Macht zu erreichen, was schließlich seinen Ausdruck darin fand, dass eine Wiedervereinigung von West- und Ostdeutschland nicht unter der Bedingung der Neutralität geschehen konnte, sondern mit dem Anspruch, den realen Sozialismus niederzuringen, verknüpft war.
Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs hatten die Wirkung einer Kapitalentwertung in Europa und ermöglichten damit dem überschüssigen, anlagesuchenden Kapital aus den USA die Fortsetzung seiner Kapitalverwertung, anstatt in einer Überakkumulationskrise selbst teilweise entwertet zu werden, in Verdrängungskämpfen, Pleitewellen sowie Massenarbeitslosigkeit. So aber konnten die USA die Vollbeschäftigung erhalten, die allein durch die Kriegsrüstung im Zweiten Weltkrieg erreicht worden war. Symbolisch steht dafür die Autoproduktion in Detroit, deren Niedergang seit den 1980er-Jahren umgekehrt für Trump und seine Anhänger als Symbol dafür gilt, dass Amerika „great again“ gemacht werden müsse. Die europäischen Staaten, darunter die Gewinner des Zweiten Weltkriegs ebenso wie dessen Verlierer Deutschland und Österreich, waren den USA für deren Kapitalexport dankbar. Durch den Import amerikanischer Industriegüter konnten sie schnell ein „Wirtschaftswunder“ erreichen, das ihnen sicher nicht gelungen wäre, wenn sie auf sich allein gestellt gewesen wären. Darüber hinaus dienten die USA auch als Absatzmarkt, so z. B. für Japans Waffen, um diese im Feldzug gegen Korea von 1950 bis 1953 einzusetzen. Das dank des Sieges im Zweiten Weltkrieg überlegene US-Kapital begann mit der Schaffung eines Weltmarktes, auf dem jede Nation ihren Erfolg suchen durfte, sofern sie dabei den USA von Nutzen war oder sich zumindest nicht den US-Interessen entgegenstellte. Dieses Angebot wollten kolonialisierte Regionen sich nicht entgehen lassen, die sich daher ihrer Kolonialherren in Befreiungsbewegungen entledigten. Das war den USA im Prinzip recht, solange sich die nun unabhängigen Staaten für ihre Integration in die US-Weltordnung und nicht für eine Kooperation mit der Sowjetunion entschieden.
Der Zweite Weltkrieg hatte auch die Verringerung der Kluft zwischen Arm und Reich zur Folge, was nicht weiter erstaunlich ist, nachdem durch das Kriegsgeschehen massenhaft Reichtum vernichtet worden ist. Während die Sowjetunion zusätzlich große Verluste an Menschen zu beklagen hatte und genötigt war, den Wiederaufbau auf sich allein gestellt zu stemmen, konnten sich die USA mit ihrem überschüssigen Kapital am Wiederaufbau Westeuropas und Japans bereichern. So öffnete sich mit der Entfaltung des kapitalistischen Reichtums wieder die Kluft zwischen Arm und Reich, die mittlerweile solche Dimensionen angenommen hat, dass Thomas Piketty in seinem Wälzer über das „Kapital im 21. Jahrhundert“ massenhaft Statistiken und Berechnungen vorlegen konnte, die diese Kluft unbestreitbar machen. Dieses umständlichen Nachweises hätte es allerdings gar nicht bedurft, denn was soll anderes als eine sich erweiternde Schere zwischen Arm und Reich entstehen, nachdem der sogenannte „Arbeitgeber“ Lohn für Arbeitsleistungen nur dann zahlt, wenn er dadurch reicher wird. Aus diesem Grund wird die Steigerung der Produktivkräfte ja auch nicht zur Reduktion der Arbeitszeit für alle eingesetzt, sondern im Gegenteil zur Verdrängung bezahlter Arbeit, es sei denn diese Bezahlung lässt sich wieder unter ein Existenzminimum drücken, wie es in den Produktionsstätten der Bekleidungsindustrie in Pakistan geschieht, wo selbst ein Gang zur Toilette zum Verlust des Arbeitsplatzes führen kann. Höhere Produktivität bedeutet im Kapitalismus Arbeitslosigkeit für die einen, Intensivierung der Arbeit und Arbeit in Schichten rund um die Uhr für die anderen, da sich die neuen Maschinen auch schnell amortisieren müssen, schließlich können sie durch weitere technische Verbesserungen ihren Produktivitätsvorsprung schnell wieder einbüßen. Der Verdrängungseffekt von Produktivkraftsteigerungen für die bestehende Belegschaft eines Unternehmens oder eines Industriezweigs kann nur durch das Wachstum des Kapitals insgesamt kompensiert werden, wodurch sich natürlich die Kluft zwischen Arm und Reich noch mehr und schneller erweitert.
Ehe es zu dieser „Blüte“ der kapitalistischen Akkumulation kam, musste diese jedoch wieder eine Überakkumulationskrise bewältigen, die ausgehend von den 1970er-Jahren im darauffolgenden Jahrzehnt immer drängender wurde. Deswegen musste nun endlich die Schranke fallen, die den Kapitalismus daran hinderte, die ganze Welt zu beherrschen, nämlich das Ärgernis eines ganzen Staatenbundes, der sich dem geschäftlichen Zugriff der imperialistischen Mächte im Wesentlichen entzog: Das Ärgernis eines kommunistischen Staatenblocks im Osten Europas musste endlich zu Fall gebracht werden, wenn die Überakkumulationskrise durch kapitalistische Expansion bewältigt werden sollte. Hatten sogenannte „Wirtschaftsexperten“ noch bis in die 1970er-Jahre geglaubt, dass staatliche Eingriffe die wirtschaftliche Entwicklung regulieren und Verwertungskrisen verhindern könnten, so wurden diese Hoffnungen spätestens in den 1980er-Jahren enttäuscht. Auf die Überakkumulationskrise reagierten die USA unter Reagan und Großbritannien unter Thatcher mit einem neoliberalistischen Aufbruch, der dem Kapital mehr Freiheit und mehr Investitionsmöglichkeiten bieten sollte, indem Staatseigentum privatisiert wurde. Das wirkte sich z. B. in Großbritannien vor allem auf den öffentlichen Verkehr und das Gesundheitswesen aus, dessen Leistungen privatisiert und für den Profit der neuen Eigentümer kostengünstig verschlechtert wurden. Zugleich wurden die Staatsausgaben keineswegs eingedämmt, sondern vor allem in den USA auf einen neuen Höchststand getrieben, da diese massiv aufrüsteten, um endlich den Systemgegner Sowjetunion zu besiegen und dem Kapital dadurch weltweiten Zugriff auf Ressourcen und Geschäftsgelegenheiten zu verschaffen. Dass die Sowjetunion unter Gorbatschow schließlich kapitulierte und es nicht auf einen 3. Weltkrieg ankommen ließ, sondern seine Unterlegenheit im Rüstungswettlauf einsah, sorgte für die Wende am Ende der 1980er-Jahre, worüber die Begeisterung der siegreichen imperialistischen Nationen nahezu grenzenlos war. Im nun unter kapitalistischen Bedingungen wiedervereinigten Deutschland kam noch die Maßlosigkeit eines Revanchismus hinzu, der nun seinerseits Säuberungen durchführte, indem er maßgebliche Personen der ehemaligen DDR gerichtlich „zur Verantwortung“ dafür zog, sich dem Herrschaftsanspruch Westdeutschlands so lange erfolgreich widersetzt zu haben.
Nun konnte die Überakkumulation durch Expansion in die ehemals realsozialistischen Staaten Osteuropas kompensiert werden und führte dort sehr schnell zu massenhafter Armut und schrumpfender Bevölkerung, wofür vor allem eine sinkende Geburtenrate sorgte, aber auch die unter den neuen Lebensbedingungen sinkende Lebenserwartung vor allem der Männer. Die russische Föderation als Nachfolgestaat der Sowjetunion war nun derartig geschwächt, dass sich die westlichen Konzerne ihrer Rohstoffe einige Zeit lang nahezu zum Nulltarif bemächtigen konnten. Selbst das staatliche Gewaltmonopol war nicht mehr intakt, weshalb Sorgen darüber aufkamen, dass Atomwaffen in die Hände krimineller Organisationen fallen könnten, ehe Putin diesem fröhlichen Treiben ein jähes Ende setzte und dafür zunächst eher als verlässlich aufgenommen wurde. Zugleich waren mit Putins Festigung der Macht in der russischen Föderation natürlich von Anfang an auch die Sorgen im Westen verbunden, dass ein wiedererstarktes Russland den Ambitionen der Westmächte unter der Führung der USA und der NATO Einhalt gebieten könnte. Das hielt jedoch niemanden davon ab, den „Verteidigungsgürtel“ um Russland durch neue Mitgliedsstaaten der NATO immer enger zu ziehen, schließlich hätten sich die imperialistischen Nationen ja sonst gleich den Interessen Russlands gebeugt. Allerdings mussten sie bei widerspenstigen Staatsführungen ein wenig nachhelfen, um diese in ihren Einflussbereich zu bekommen. Dafür zettelten sie Aufstände an, riefen nach Wahlen, in denen ihr Günstling unterlegen war, zu Demonstrationen auf und sorgten für „friedliche“ und „farbenfrohe“ Menschenmengen auf den Straßen, sodass etwa die „orange Revolution“ in der Ukraine nur ein Ausdruck von Buntheit und Weltoffenheit sein konnte. Nachdem sich der gewünschte Erfolg in der Ukraine dennoch nicht einstellen wollte, haben die USA schließlich 2014 mit allen Mitteln den Euromaidan durchgesetzt, dem sich die Ostukraine widersetzte. Seither herrschte in der Ukraine ein Bürgerkrieg, dessen Opfer in der Ostukraine von den sich besonders kritisch wähnenden Medien der Westmächte kaum zur Kenntnis genommen wurden, worauf 2022 die russische Föderation mit einem Angriff auf die Ukraine antwortete. Damit wollte Russland auch einem Angriff zuvorzukommen, der in der Ukraine durch massive Aufrüstung und Militärmanöver mit NATO-Staaten vorbereitet wurde sowie ausdrücklich in deren Militärdoktrin als Ziel genannt wurde.
So kommt es mit mehr als 30 Jahren Verspätung doch noch zu dem Krieg, den die Sowjetunion durch ihre Kapitulation zu vermeiden gesucht hatte, weil sich die russische Föderation geweigert hat, auch als Großmacht abzudanken. Der Grund für die Feindschaft der imperialistischen Mächte gegen die Sowjetunion lässt sich eben nicht darauf reduzieren, dass diese der Gegner ihres Systems war, denn für solche Feindseligkeit reicht es vollkommen aus, den imperialistischen Interessen in die Quere zu kommen. Dafür muss man gar nicht ein erklärter Gegner des kapitalistischen Systems sein, sondern es reichen die gegensätzlichen Interessen imperialistischer Nationen aus. Allein in der gewaltsamen Austragung dieses Gegensatzes besteht das „Verbrechen“ der russischen Föderation, das zur Rechtfertigung weiterer Eskalationen auf dem Schlachtfeld herangezogen wird. Das ist die aktuelle Lage der Dinge, weswegen nun in Deutschland führende Personen des öffentlichen Lebens eine Rückkehr zur imperialistischen Realität fordern, die nur mit vermehrter Kriegstüchtigkeit zu erreichen sei. Mit Hitler und Nazideutschland wollen sie aber trotz dieser Kriegsbegeisterung nichts zu tun haben, weswegen es als „Relativierung“ von NS-Verbrechen gilt, hier Berührungspunkte erkennen zu wollen.
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