Die Kampagne der Wirtschaftskammer Wien für den „Inlandskauf“
Wien, 26. 12. 2019
Seit geraumer Zeit erklärt die Wirtschaftskammer Wien den Österreichern, dass sie ihren Mitbürgern schaden würden, wenn sie über das Internet im Ausland einkaufen: „‚Wenn Sie bei mir einkaufen, finanzieren Sie keinem amerikanischen Online-Boss eine zweite Luxusyacht oder einen Privatjet, sondern meiner Tochter die Nachhilfestunde, meinem Enkerl das Weihnachtsgeschenk und meinen Mitarbeitern das Gehalt‘, sagen Wiener Unternehmer des stationären Handels in einem Video, das Weihnachten zum Anlass nimmt, um die Bedeutung des Einkaufens am Standort hervorzustreichen.“[1] Die ganze Gemeinschaft wäre gefährdet, wenn man nicht das heimische Geschäft unterstützen würde, denn wenn das Geld nicht im Land bleibe, können nicht finanziert werden, was dringend benötigt werde: „Das Geld bleibt im Land, wir zahlen unsere Steuern hier. Damit finanzieren wir gemeinsam unsere Kindergärten, unsere Öffis, unsere Krankenhäuser und alles, was wir an unserer Stadt so lieben.“[2] In diesem Zusammenhang ist auch die Klage darüber zu vernehmen, dass auf diese Weise 30.000 Arbeitsplätze im Ausland finanziert würden.[3]
Kaum machen durchschnittliche Bürger also von den vielgepriesenen Vorteilen der Globalisierung Gebrauch, ist es auch schon wieder nicht recht. Kapitalistische Unternehmen, die Produktionsstätten ins Ausland verlagern, weil sie den günstigen Preisen zur Benutzung der dort ansässigen Arbeiter einfach nicht wiederstehen können, beklagen dasselbe Verhalten bei den Konsumenten. Diese achten ja nur auf ihren Konsum, während sie sich um ihren Profit kümmern müssen! Wer hier den Abfluss von Steuereinnahmen beklagt und das Kapital als „vaterlandslosen Gesellen“ verachtet, der wird als Nationalist beschimpft und nicht für seinen „Weitblick“ oder sein „Verantwortungsbewusstsein“ gelobt. Hier gilt auch nicht, dass man sich eben mehr anstrengen muss, um Käufer zurückzugewinnen. Nein, Anstrengungen, um ihre Leistungen besser verkaufen zu können, stellen offensichtlich das Privileg jener Bürger dar, die von Lohnarbeit leben müssen!
Interessanterweise will auch niemand Ausländerfeindlichkeit entdecken, wenn der Nutzen beklagt wird, den man dem Ausland nicht vergönnt ist und ihm wieder zu entziehen versucht. Auch Ausländerfeindlichkeit stellt demnach nur bei jenen einen Skandal dar, denen dieses Verhalten offensichtlich nicht zusteht. Wer sich über die vermehrte Konkurrenz beklagt, ist also immer dann ein unerträglicher Nationalist und Rassist, wenn von der Konkurrenz um Arbeitsplätze die Rede ist. Beim Kapital gilt diese Klage als berechtigt, denn die armen Unternehmer haben es ja so schwer in ihrem Bemühen, den Staat mit den notwendigen Steuereinnahmen zu versorgen, dass die Wirtschaftskammer sie bereits zu „Helden“ erklärt hat. Schön, dass die „Helden der Arbeit“ in der ehemaligen Sowjetunion, über die sich lustig zu machen bürgerliche Menschen gar nicht genug kriegen können, nun doch wieder gefragt sind, wenn sie zu „Helden der Wirtschaft“ mutiert sind.
Wer sich von dieser Kampagne der Wirtschaftskammer ein schlechtes Gewissen beim Online-Kauf aufschwatzen lässt, dem ist wahrlich nicht mehr zu helfen!
[1] https://news.wko.at/news/wien/Kampagne-fuer-den-Handel-geht-viral.html, aufgerufen am 26. 12. 2019
[2] Ebenda
[3] https://mobil.krone.at/kmm__1/app__CORE/2063862, aufgerufen am 26. 12. 2019
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