Undank ist der Welten Lohn
Aus aktuellem Anlass hier eine Erinnerung aus dem Jahr 2017 an eine früher so „harmonische“ Beziehung, die soeben in einem Rosenkrieg[1] ihr gerechtes Ende findet.
Wien, 16. 3. 2017
Seit einigen Wochen geht bereits der Konflikt zwischen der Inhaberin eines Kosmetiksalons und dem Arbeitsinspektorat durch die Medien. Vom Arbeitsinspektorat wurden Fenster für jene Räume gefordert, in denen intime Körperbehaarung durch sogenanntes „Waxing“ entfernt wird. Dies ist allein zur Lüftung der durch dieses Verfahren von Hitze betroffenen Räume erforderlich. Dass diese Fenster im ersten Stock des Salons anzubringen sind, verschweigt die inzwischen als „Waxing-Lady“ zu zweifelhafter Berühmtheit gekommene Firmeninhaberin. Sie tut im Gegenteil so, als wäre damit eine Intimenthaarung zu ebener Erde im Schaufenster verlangt worden, wodurch öffentliche Einblicke in einem Zustand gewährt würden, in dem man diese tunlichst vermeidet. Ein entsprechendes Foto postet sie samt verärgerten Bemerkungen über Schikanen des Arbeitsinspektorats auf Facebook.
Es hat auch einen besonderen Grund, dass diese Dame vom Arbeitsinspektorat heimgesucht wird. So erfährt man von der Arbeiterkammer Folgendes: „Die Firma gibt es seit 2013, und seit damals zählen die Beschäftigten der Firma zu unseren Dauerkunden in der Beratung. (…) Würden alle Arbeitgeber so mit ihren Beschäftigten umgehen, würde die Schlange der Beratungssuchenden bei uns von der Prinz-Eugen-Straße bis zum Schwarzenbergplatz reichen – und zwar täglich.“[2] Es mag also durchaus sein, dass einer kleinlichen Chefin mit einem ebenso kleinlichen Arbeitsinspektorat beizukommen gesucht wird, der Vorwurf des Schikanierens wird in der Öffentlichkeit allerdings nur gegen Letzteres erhoben.
Wo es um ein derart „himmelschreiendes Unrecht“ geht, kann natürlich das berüchtigtste Großmaul des österreichischen Journalismus nicht lange stillhalten, und so musste Wolfgang Fellner in seiner Haus- und Hofpostille „Österreich“ natürlich nachlegen. Ist er es gewohnt, in seinem Unternehmen wie Gott zu schalten und zu walten, so blutet ihm das Herz vor Solidarität mit jenen, deren Menschenrecht auf freie Schikane gegen das Personal – pardon: auf freie Entfaltung hier mit Füßen getreten wird. Er spricht daher mit dem ihm eigenen klassenbewussten Instinkt von „stalinistischen Arbeitsinspektoren“ und fordert von Kanzler Kern „ein Machtwort gegen seine ÖGB-Stalinisten“.[3] Es ist wahrlich bemerkenswerten, wie sich hier jemand in die Opferrolle begibt und bei der Obrigkeit um Beistand jammert, der sich sonst für seine Initiative und Durchsetzungsfähigkeit rühmt, mit der er sich über alle Widerstände hinwegsetzt. Sollte man den Widerstand gegen unternehmerische Freiheit gemäß dieser Logik auch beim Drogenhandel beklagen? Sind die Polizisten, die gegen diesen vorgehen, nun ebensolche Stalinisten, welche die unternehmerische Freiheit beschränken? Herr Fellner geriert sich in seinem Rundumschlag gegen die Gewerkschaften, die „das Land ruinieren“ würden, genauso wie Trump, dem er bei dessen Wahrnehmung von Schädlingen der Nation gerne Rechtspopulismus vorwirft.
Man möchte ja beinahe fragen, ob Fellner für den Stalinismus Partei ergreifen will, wenn er erklärt, dass ein unternehmerischer Erfolg wie in Silicon Valley nur mit entsprechen Rücksichtslosigkeiten gegen die Belegschaft errungen werden kann. Dabei stimmt es in diesem Fall nicht einmal, denn den Mitarbeitern in Silicon Valley kann man nicht so schäbige Arbeitsbedingungen und Löhne bieten wie jenen eines Schönheitssalons in Wien, sind diese aufgrund ihrer speziellen Fähigkeiten doch nicht so einfach zu ersetzen oder so alternativlos an ihren Job gebunden.
Auch ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner hat reflexartig seinen Beschützerinstinkt für die geknechtete unternehmerische Freiheit bereit und ohne genauere Untersuchung des Falles für die Zicke … äh … Businesslady Partei ergriffen. Dafür musste er sich aber gehörig vom Arbeitsinspektorat rügen lassen, das die Wichtigkeit seiner Maßnahmen ausgerechnet damit beweisen will, wie sehr diese versagen. So klärte der Gewerkschaftsvorsitzende Roman Hebenstreit auf: „Das Arbeitsinspektorat leistet wertvollste Arbeit und hat es sich nicht verdient, für ein paar Likes derart verhöhnt zu werden. Alleine im Jahr 2015 hat es über 156.000 Arbeitsunfälle gegeben, davon waren 73 tödlich und das finden wir nicht lustig.“[4] Lustig ist das allerdings nicht, sondern höchst befremdlich, wie man dieses Resultat als Beweis für die Leistungsfähigkeit des Arbeitsinspektorats betrachten kann. Natürlich meint Hebenstreit, dass sich daraus ergebe, wie notwendig Maßnahmen des Arbeitsinspektorats wären, um die Anzahl der Arbeitsunfälle zu verringern. Man könnte aber auch auf die Idee kommen zu fragen, wie Arbeitsschutz und der herrschende Zweck der Produktion miteinander vereinbar sind. Die Beachtung von Schutzmaßnahmen wirkt sich schließlich auf die Zeit aus, in der eine Arbeit bewältigt wird, sodass hiervon eine Kostenbelastung allein dadurch ausgeht, dass eine bestimmte Arbeitszeit sich auf geringere Stückzahlen eines Gutes verteilt. In der Regel werden daher Schutzmaßnahmen wegen ihres Aufwandes ignoriert und diese Praktik führt dazu, dass bestimmte Schädigungen der Arbeitskräfte als Gewissheit gelten und deswegen „Berufskrankheiten“ heißen.
Ein bekanntes Beispiel der Nutzung jeder Pore der Arbeitszeit zur Verausgabung von Arbeitskraft sind die Billiglohnstandorte der Textilindustrie. Dort vermeiden Arbeiterinnen das Trinken so gut wie möglich, um nicht auf die Toilette zu müssen, weil dadurch die Gefahr besteht, dass die geforderte Stückzahl an gefertigten Textilien nicht erreicht wird. Sie nehmen umgekehrt lieber die Gefahr der Dehydrierung in Kauf. Maßnahmen, die der Kontrolle und Einschränkung von Pausen auf der Toilette dienen, sollen ja auch bei Apple in Irland in Kraft sein. Vielleicht will uns Herr Fellner vorschlagen, auch solchen Praktiken jenseits „stalinistischer Bevormundung“ nachzueifern, um als Standort für solche Firmen wieder attraktiv zu werden.
[1] https://www.oe24.at/oesterreich/chronik/die-wahrheit-ueber-die-causa-fellner/476755658, aufgerufen am 9. 5. 2021
[2] derstandard.at/2000054161078/Waxing-Affaere-Arbeitsinspektorat-erhebt-Strafanzeige, aufgerufen am 16. 3. 2017
[3] http://www.oe24.at/oesterreich/politik/wolfgangfellner/OeGB-macht-unser-Land-kaputt/272963112, aufgerufen am 16. 3. 2017
[4] http://www.oe24.at/oesterreich/politik/Waxing-Fall-Heftige-Kritik-an-Mitterlehner/272910472, aufgerufen am 16. 3. 2017
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